Wiedersehen in Prag - Genscher würdigt DDR-Flüchtlinge
Prag (dpa) - Mit einem großen Wiedersehen in Prag haben der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und ehemalige DDR-Flüchtlinge am Dienstag den 25. Jahrestag der Ausreise-Erlaubnis gefeiert.
Der 87-Jährige würdigte den Mut der mehr als 4500 Ostdeutschen, die damals mit der Besetzung der bundesdeutschen Botschaft ihre Ausreise erzwungen hatten. „Diese Flüchtlinge, die damals hier in Prag waren, haben ihr eigenes Schicksal in die Hand genommen, aber in Wahrheit haben sie Geschichte geschrieben.“
Am 30. September 1989 hatte der FDP-Politiker vom Balkon der bundesdeutschen Botschaft den DDR-Bürgern im Garten verkündet, dass ihre Ausreise möglich geworden war. Die Flüchtlinge kamen dann mit Sonderzügen, die nochmals über DDR-Territorium führten, in die Bundesrepublik. Zum 25. Jahrestag kehrten etwa 150 von ihnen in die Vertretung, das Palais Lobkowicz, zurück. Beim Wiedersehen flossen viele Tränen. Auch Genscher sagte, er sei „nicht ohne Bewegung“.
Auch der damalige Kanzleramtsminister Rudolf Seiters (CDU) und der heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nahmen an den Feierlichkeiten teil. Im festlichen Kuppelsaal der Botschaft schüttelten ehemalige DDR-Flüchtlinge Genscher die Hand. In der jubelnden Menge im Botschaftsgarten war damals auch Dirk Spengler aus Magdeburg. „Es war einfach ein Bedürfnis, sich noch einmal persönlich zu bedanken“, sagte Spengler, der als 20-Jähriger auf einer Treppenstufe der Botschaft übernachtet hatte.
Genscher warnte vor einer erneuten Teilung Europas. Neue Spannungen zwischen Ost und West seien zum Teil bereits Realität. „Deshalb muss jeder, der sich verantwortlich fühlt für Stabilität und Frieden und Zusammenarbeit in Europa tief besorgt sein.“ Angesichts der Ukraine-Krise appellierte er: „Es ist jetzt wichtig, dass alle bereit sind und offen sind, ungeachtet von dem, was geschehen ist, einen neuen Anfang zu versuchen.“
Der heutige Außenminister Steinmeier sagte: „Ohne die Hilfe und Solidarität der Menschen in unseren Nachbarländern wäre der damalige Aufbruch in eine neue europäische Friedensordnung nicht denkbar.“ Zugleich mahnte er: „Die Krise in der Ukraine zeigt leider, wie bedroht diese Friedensordnung heute ist. Frieden, Freiheit und Demokratie sind nicht für ewig garantiert, wenn wir nicht jeden Tag dafür eintreten.“
An die Szenen von damals erinnert bereits seit mehreren Jahren eine Gedenktafel auf dem Balkon des Botschaftsgebäudes. Im Garten der Vertretung steht eine Statue namens „Quo Vadis“ („Wohin des Weges“) - ein Trabant aus Bronze, dem Beine gewachsen sind.
Der tschechische Außenminister Lubomir Zaoralek fand Worte des Bedauerns: „Es tut mir leid, dass die Tschechoslowakei damals nicht mehr getan hat für die Flüchtlinge“, sagte der Sozialdemokrat. Er lobte die Entschlossenheit der Botschaftsbesetzer von 1989. Sie hätten auch für andere ein Zeichen gesetzt, dass man „im real existierenden Sozialismus nicht mehr leben konnte“.