„Wir haben unsere Gerechtigkeit“
Die USA feiern die Tötung von Al-Kaida-Chef Bin Laden — rund zehn Jahre nach den verheerenden Anschlägen vom 11. September.
Washington. Die USA im Freudentaumel: Mitten in der Nacht feiern jubelnde Massen den Tod des Terror-Chefs Osama bin Laden. In der Hauptstadt Washington gleicht das Gelände rund um das Weiße Haus zu später Stunde einem tosenden Volksfest.
Trommeln, Trillerpfeifen und Hupkonzerte begleiten wilde Freudentänze. Auch am Ground Zero in New York, wo am 11. September vor rund zehn Jahren das Unfassbare passierte, feiern die Menschen.
„USA, USA!“, tönen Sprechchöre durch Meere amerikanischer Flaggen. „Wir haben ihn! Wir haben unsere Gerechtigkeit“, rufen die Menschen unisono. „Endlich ist es vorbei“, sagen sie etwas leiser zueinander. Zu der Zeit läuft die Ansprache von Präsident Barack Obama noch. Die Kunde vom Tod des Terroristen hat sich rasend schnell verbreitet.
„Wir haben’s im Fernsehen gesehen, und ich habe gleich meine Mutter angerufen“, sagt Kimberly Kelly. Sie war acht Jahre alt, als die Flugzeuge in die Zwillingstürme flogen. Heute ist sie Studentin und mit ihren Kommilitonen zum Ground Zero gekommen. Sie ist auf einen Laternenmast geklettert und schwenkt wie so viele um sie herum eine Flagge. „Ich habe Mom gesagt, sie soll Dad wecken — er hat den Anschlag miterlebt. Ich wünschte, ich könnte seine Reaktion sehen.“
„9/11 hat mein Leben auf schreckliche Weise verändert“, sagt ein Feuerwehrmann, der am Ort des Geschehens der Opfer gedenkt. Ihm sind die Bilder der Al-Kaida-Anschläge noch allzu gut in Erinnerung. „Aber heute haben wir Gerechtigkeit erfahren. Es ist Krieg, und ich fühle: Wir haben gewonnen.“
Unter die Jubelnden haben sich auch viele Auswärtige gemischt — wie drei junge Männer aus Israel, die seit kurzem in New York studieren. „Wir sind so glücklich“, sagt Jonny. Mehr bekommt er nicht heraus.
Rund um das Weiße Haus feiert die Menge lautstark Präsident Obama. „Er hat die nächste Wahl schon gewonnen“, strahlt ein Washingtoner. Eine Frau berichtet: „Ich habe die Nachricht im Fernsehen gehört und bin aus dem Bett gesprungen, um sofort hier zu sein.“ Neben ihr steht ein Mann im Smoking, der gerade von einer Abendgala kommt.
Der 20-jährige John Grady hat durch eine SMS vom Tod Bin Ladens erfahren und ist dann sofort mit ein paar Freunden zum Weißen Haus gefahren. Als der Anschlag passierte, war er unweit des Pentagons, in das die Terroristen ein weiteres Flugzeug lenkten. Er verlor einen Onkel im World Trade Center. „Unser ganzes bisheriges Leben lang haben wir versucht, Osama zu finden und den Terrorismus zu bekämpfen“, sagt er. „Das hier ist ein Meilenstein.“
Unter Hunderten US-Flaggen wehen vereinzelt auch arabische Banner. „Das ist sehr mutig und schön“, sagt ein Mann. „Muslime und Christen freuen sich an diesem Tag gemeinsam darüber, dass ein Massenmörder tot ist.“