Zehntausende verhungern in Ostafrika
Addis Abeba (dpa) - Die Hungerkatastrophe am Horn von Afrika spitzt sich dramatisch zu.
Während nach Schätzungen von Hilfsorganisation bereits zehntausende Menschen gestorben und viele weitere vom Hungertod bedroht sind, verweigert die somalische Al-Shabaab-Miliz in den von ihr kontrollierten Gebieten Hilfslieferungen für die ausgezehrten Menschen.
In dem Bürgerkriegsland leiden laut Weltgesundheitsorganisation WHO 3,7 Millionen Menschen - fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung - unter der schlimmsten Dürre seit 60 Jahren und benötigen dringend humanitäre Hilfe. Betroffen sind auch die Nachbarländer Kenia und Äthiopien: Die UN gehen mittlerweile von etwa zehn Millionen Hungernden aus. Bundespräsident Christian Wulff, die Kirchen und Hilfsorganisationen riefen die Deutschen eindringlich zu Spenden auf.
Die Vereinten Nationen (UN) wollen Medikamente und Lebensmittel in „beispielloser Menge“ ans Horn von Afrika bringen - vor allem, um hungernde Kinder vor dem Tod zu bewahren. „Wenn wir Leben retten wollen, dann müssen wir jetzt handeln, so schnell wie möglich massive Mengen an Medizin, Impfstoffen und angereicherten Nahrungsmitteln in die Region bringen und diese an die notleidenden Kinder verteilen“, sagte die Direktorin der Abteilung für Nachschubbeschaffung des Kinderhilfswerks Unicef, Shanelle Hall, am Freitag.
Der britische Sender BBC zitierte Al-Shabaab-Sprecher Ali Mohamud Rage mit den Worten, die Berichte der Vereinten Nationen über die Hungersnot seien „kompletter Nonsens, 100 Prozent ohne Grundlage und pure Propaganda“. Es gebe zwar eine Dürre in Somalia, und der Regen sei ausgeblieben, aber die Situation sei lange nicht so schlimm wie von den UN beschrieben. „Die Organisationen, denen wir die Arbeit verboten haben, dürfen auch weiterhin nicht hier arbeiten. Sie sind in politische Aktivitäten involviert“, erklärte Rage. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen forderte alle Verantwortlichen in der Region auf, die „Restriktionen und Behinderungen der humanitären Hilfe“ zu beenden.
Die islamistische Miliz mit Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida hatte erst Anfang Juli erklärt, sie werde angesichts der katastrophalen Lage erstmals seit zwei Jahren wieder internationale Organisationen in Südsomalia zulassen. UN-Organisationen hatten daraufhin geplant, trotz Sicherheitsbedenken zumindest per Luftbrücke wieder Lebensmittel nach Südsomalia zu bringen. In dem von Al-Shabaab kontrollierten Gebiet liegen auch die beiden Regionen, in denen die UN vor wenigen Tagen offiziell eine Hungersnot ausgerufen hatten. Eine Zentralregierung gibt es in dem zerrütteten Land keine.
Nach Einschätzung der Hilfsorganisation Diakonie Katastrophenhilfe fielen der Hungerkatastrophe am Horn von Afrika bereits mehrere zehntausend Menschen zum Opfer. Es sei zu erwarten, dass noch viele weitere sterben, sagte Direktorin Cornelia Füllkrug-Weitzel der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart. „Viele der Flüchtlinge sind nahe des Zusammenbruchs“, schilderte sie. „Es ist die schwerste Nahrungsmittelkrise des 21. Jahrhunderts.“
Die Spendenbereitschaft der Deutschen für die hungernden Menschen in Ostafrika wird von Hilfsorganisationen teils als verhalten, teils aber als groß eingeschätzt. „Wir alle sind aufgerufen, das Leiden der Menschen am Horn von Afrika zu mildern“, erklärte Bundespräsident Wulff in Berlin. „Wir wissen aus Erfahrung, dass auch kleine Beträge von Vielen Großes bewirken.“ Die Bundesregierung prüft eine Aufstockung ihrer Hilfen.
Die Unicef will auch per Luftbrücke Moskitonetze gegen Malaria und Medizin in betroffene Gebiete bringen. Groß angelegte Impfkampagnen seien geplant, um den Ausbruch von ansteckenden Krankheiten zu vermeiden. „Wir sind dankbar für die Großzügigkeit der internationalen Gemeinschaft, und diese hat auch schon Wirkung gezeigt“, sagte der Regionaldirektor für das östliche und südliche Afrika, Elhadj As Sy. Gleichwohl worden Spenden weiter dringend benötigt: „Jede Minute, die diese Menschen ohne lebensrettende Unterstützung sind, kann den Unterschied ausmachen zwischen Leben und Tod.“
Unterdessen machen sich in Somalia immer mehr verzweifelte Menschen aus dem Süden auf den Weg in die Hauptstadt Mogadischu. Nur wenige Kilometer außerhalb der Metropole lägen Camps mit unzähligen Zelten und Notunterkünften, in denen die hungernden Menschen Zuflucht suchten, berichtete die BBC. „Sie riskieren die gefährliche Reise, um Hilfe zu finden, aber für viele ist es schon zu spät“, sagte ein Journalist vor Ort. Zuletzt waren hunderttausende Somalis vor der Dürre in die Nachbarländer Kenia und Äthiopien geflohen, wo sie in riesigen Flüchtlingslagern leben. Im größten davon - Dadaab in Kenia - campieren derzeit 400 000 Menschen.