Zeugin des Mordens in Syrien
Autorin Samar Yazbek bietet eine Innenansicht der Revolution.
Paris/Düsseldorf. Das Assad-Regime in Syrien geht weiter mit aller Härte gegen Oppositionelle vor — und das zunehmend unbeobachtet. Für unabhängige Beobachter und Berichterstatter ist es lebensgefährlich, sich in dem Land aufzuhalten.
Eine Innensicht gibt die syrische Schriftstellerin und Journalistin Samar Yazbek: Sie hat die Revolution seit deren Beginn im März 2011 dokumentiert und gibt in ihrem persönlichen Bericht erschütternde Einblicke ins Innere eines abgeschotteten Landes, das tief zerrissen ist. „Schrei nach Freiheit“ ist ein Protokoll des Aufstands gegen eines der repressivsten Systeme der arabischen Welt.
„Ich traue nur meinen eigenen Augen“, schrieb Yazbek am 5. April in ihr Tagebuch, als sie ihre Wohnung in Damaskus verließ, um sich selbst ein Bild von der Lage in der Hauptstadt zu machen. Dann sah sie, wie bewaffnete Geheimdienstler in eine Menge friedlicher Demonstranten einbrachen, auf sie einschlugen, Männer und Frauen wegschleppten. In Yazbeks Buch ist dies der Anfang einer Sammlung von Eindrücken, die von Mut, Verzweiflung und Tod erzählen.
Samar Yazbek gehört wie Präsident Baschar al-Assad zur alawitischen Minderheit in Syrien. Als sie anfing, für ihre Aufzeichnungen durchs Land zu reisen, galt sie bald als Verräterin. Sie sprach mit Demonstranten, mit ehemals Inhaftierten und Polizisten und wurde so mehr und mehr selbst in die Ereignisse hineingezogen. Sie schloss sich der Protestbewegung an — bis sie schließlich selbst ins Visier des Geheimdienstes geriet.
„Wenn ich nichts tun kann, werde ich verrückt“, schrieb sie am 25. Juni. „Ich werde nicht nur zuschauen, wie um mich herum gemordet und verhaftet wird.“ Mit Folgen: Mehrmals wurde Yazbek wegen ihrer Artikel und Kontakten zu oppositionellen Aktivisten verhaftet, eingesperrt, vernommen und misshandelt. Sie brachte sich immer weiter in Gefahr, je mehr sie mit Augenzeugen sprach und sich selbst an den Demonstrationen beteiligte. „Als Samar Yazbek spürte, dass sich die Schlinge lebensbedrohlich eng zuzog, flüchtete sie“, schreibt der deutsch-syrische Schriftsteller Rafik Schami in seinem Vorwort zu „Schrei nach Freiheit“.
Mit ihrer Tochter lebt Yazbek seit ihrer Ausreise in Paris. „Ich werde der Welt mitteilen, was hier passiert“, schrieb sie in ihrem letzten Tagebucheintrag am 9. Juli, kurz bevor sie ihre Heimat verließ. Ihr mutiger Bericht, den sie aus dem syrischen Bürgerkrieg retten konnte, lässt daran keinen Zweifel.