Zypern übernimmt EU-Vorsitz
Nikosia (dpa) - Die Republik Zypern hat am Sonntag für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Der Inselstaat hat diese Rolle zum ersten Mal seit seinem EU-Beitritt im Mai 2004 inne. Zypern hatte erst am vergangenen Montag Antrag auf Hilfe aus den Euro-Krisenfonds EFSF oder ESM gestellt.
Zypern ist das einzige teilweise besetzte EU-Land. Im nördlichen Drittel der Insel sind seit 1974 türkische Truppen stationiert.
In Brüssel wird von dem Inselstaat erwartet, dass er vor allem den Streit zwischen reichen und armen EU-Staaten um die Finanzplanung für die Jahre 2014 bis 2020 bis Dezember beilegt. Es geht um eine Billion Euro. Die Aufgabe ist schwierig. Zypern hat vor allem deshalb seine EU-Botschaft in Brüssel von 80 auf 230 Personen verstärkt: „Die Wege nach Nikosia sind lang, deswegen machen wir das meiste in Brüssel“, sagt ein Diplomat.
Das EU-Programm der Zyprer soll an diesem Montag in Brüssel vorgestellt werden. Der kommunistische Präsident Dimitris Christofias will das EU-Parlament am Mittwoch detailliert unterrichten.
In Nikosia werden am Montag die ersten Experten der EU, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) erwartet. Sie wollen feststellen, in welchem Zustand die zyprischen Finanzen sind und welche Unterstützung die Banken für ihre Rekapitalisierung brauchen. Es wird mit mehr als zehn Milliarden Euro gerechnet.
Zyperns Banken sind eng mit dem Nachbarn Griechenland verflochten und daher auch von der griechischen Finanzkrise infiziert. Der Inselstaat mit einem Bruttonationaleinkommen von rund 17,5 Milliarden Euro ist die drittkleinste Volkswirtschaft der Eurozone.
Der Politologe Hubert Faustmann von der Universität Nikosia sieht die größte Aufgabe Zyperns darin, das EU-Budget für die Jahre 2014 bis 2020 auszuhandeln. „Da sieht sich Zypern eigentlich eher in einer positiven Rolle, weil es als kleines Land, das nicht sehr starke Interessen in vielen Gebieten hat, hofft, so eine Rolle als ehrlicher Makler spielen zu können“, sagte Faustmann am Samstag im Deutschlandradio Kultur.
Die Türkei ist Kandidat für einen EU-Beitritt, erkennt aber wegen der ausbleibenden Lösung der Zypernfrage die Republik Zypern nicht an. Im Norden gibt es die abtrünnige „Türkische Republik Nordzypern“, die nur von der Türkei anerkannt wird. Ankara will die offiziellen Beziehungen zur Republik Zypern während der EU-Ratspräsidentschaft einfrieren.