Allgemeine Impfpflicht Bundesgesundheitsminister Lauterbach: Ungeimpften nur auf die Nerven zu gehen, reicht nicht
Paris · Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach rechnet damit, dass eine Impfpflicht nötig ist, um Ungeimpfte umzustimmen. Er sei „ganz klarer Befürworter der allgemeinen Impfpflicht“.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dringt auf die baldige Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. "In Deutschland reicht es nicht, den Ungeimpften nur auf die Nerven zu gehen, da muss man mehr tun", sagte Lauterbach in einem AFP-Gespräch vor einem Treffen der europäischen Außen- und Gesundheitsminister. "Ich bin ein ganz klarer Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht", betonte der Minister. Die entsprechenden Gesetzesanträge unterstütze er.
Lauterbach bekräftigte seine Kritik an der von Bayern angekündigten Aussetzung der Impfpflicht in der Pflege. "Das gibt das vollkommen falsche Signal, dass die Proteste der Impfgegner und Querdenker bedeutsamer sind als der Schutz der älteren Menschen", sagte Lauterbach. Der Rückzieher von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe ihn "bestürzt".
Der Verzicht auf schnelle Lockerungen in Deutschland habe mit der großen Gruppe der Ungeimpften zu tun, erklärte der Minister. "Bestimmte Dinge, die anderswo möglich sind, sind bei uns noch nicht möglich, weil wir zu Recht Rücksicht nehmen müssen auf ältere Ungeimpfte", sagte Lauterbach mit Blick auf andere europäische Länder, in denen nur noch wenige Corona-Einschränkungen gelten.
Die EU-Minister wollen bei ihrem zweitägigen Treffen in Lyon und Grenoble über eine verbesserte Zusammenarbeit in der Pandemiebekämpfung beraten und Lehren aus den ersten Corona-Wellen ziehen. "Ich persönlich glaube, dass wir die Einschränkungen für Kinder schwerer vertreten können als andere Einschränkungen, die wir ergriffen haben", sagte Lauterbach. "Die Kinder haben eine sehr schwere Zeit gehabt, es ist viel Unterricht ausgefallen, deutlich mehr als zum Beispiel in Frankreich". Und dennoch seien in Deutschland viele Kinder erkrankt. "Dies ist etwas, wo wir eine Manöverkritik zulassen müssen", räumte der Minister ein.
Mit Blick auf die Sterblichkeit hingegen sei Deutschland bisher vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen. "Ich glaube, dass es in allen europäischen Ländern Stärken und Schwächen gegeben hat und dass wir gut beraten sind, voneinander zu lernen", sagte Lauterbach. Er wolle mit seinen Kollegen insbesondere über die Zusammenarbeit bei der Entdeckung neuer Virusvarianten und bei der Impfstoffforschung und -produktion sprechen.
"Frankreich hat eine sehr aktive Überwachung von Virusvarianten, von der wir auch profitiert haben", sagte der Gesundheitsminister. Auch in Katastrophenfällen sollten sich europäische Länder gegenseitig unterstützen und Kapazitäten auf Intensivstationen anbieten. "Es gibt einen naiven Glauben, dass Varianten immer harmloser werden, das stimmt aber nicht", gab Lauterbach zu bedenken. Die nächste Variante könne auch wieder gefährlicher sein. "Darauf muss man vorbereitet sein."
kol/gt