Politik CSU-Parteitag: Ein bisschen Frieden
Beim CSU-Parteitag zieht Markus Söder alle Register — und Horst Seehofer entgeht einer Schlappe.
Nürnberg. Am Abend vor seinem Triumph zeigt Markus Söder noch einmal sein Talent als Strippenzieher. Die CSU feiert sich in der Nürnberger Messehalle selbst bei Bier und Klößen, und Söder tingelt von Plausch zu Plausch. Das nennt man Trommeln in eigener Sache bei den so wichtigen Landsmannschaften und CSU-Bezirken. „Die Partei wünscht sich jetzt Frieden“, erklärt Söder einer kleinen Gruppe um sich herum. Ein Satz, den er so oder so ähnlich schon den ganzen Tag über in jedes Mikro gesagt hat. Und er, der 50-Jährige Franke, ist der neue Friedensstifter.
Nur ein paar Stunden später erlebt der CSU-Parteitag seinen zweiten Tag, und Markus Söder steht wie ein siegreicher Ringkämpfer auf der Bühne der Frankenhalle. Neben ihm sein geschlagener Gegner, den er zu sich auf das Podium geholt hat und der nun seinen Arm in die Höhe reißt: Horst Seehofer. Kurz zuvor ist Söder per Handaufheben fast einstimmig zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Herbst 2018 bestimmt worden, er wird Seehofer Anfang nächsten Jahres als Ministerpräsident ablösen. Der Parteitag jubelt stehend, auch deshalb, weil Söder den Delegierten mit einer kraftvollen Rede so etwas wie neue Hoffnung eingeimpft hat.
Doch das Bild eines einträchtigen und versöhnten Duos dort oben täuscht, Freunde werden die beiden nicht mehr. Man sieht das den gesamten Parteitag über: Sind die Kameras an, stecken Söder und Seehofer in der ersten Reihe vor dem Podium die Köpfe zusammen; fühlen sie sich unbeobachtet, zeigt man sich die kalte Schulter. Seehofer hat Söder nicht gewollt und seinen weiteren Aufstieg mit aller Macht zu verhindern versucht. Erfolglos. Söder wiederum hat viele, auch schmutzige Tricks angewandt, um sich in die Münchner Staatskanzlei vorzuarbeiten. Erfolgreich. Gelitten hat unter den Scharmützeln vor allem die Partei. Jetzt wollen die Delegierten endlich Harmonie an der Spitze und einen Neuanfang, weil die Angst umgeht, nach dem miserablen Abschneiden bei der Bundestagswahl mit nur 38,8 Prozent bei der Landtagswahl im kommenden Jahr die absolute Mehrheit zu verlieren.
Die Harmonie wird geliefert — so gut es eben geht. „Es hat uns ganz schön durchgeschüttelt“, räumt Söder in seiner Rede ein. Aber „heute beginnt eine neue Etappe“. Und wer glaube „wir geben auf, wer glaubt, wir haben Angst, der wird sich täuschen“. Es ist lange her, dass mal jemand wieder einen CSU-Parteitag richtig gerockt hat. Söder kann das. Selbst anfangs zögerliche Klatscher — er hat ja nicht nur Freunde in der Partei — geraten in Wallung, als der Ministerpräsident in spe energisch das ein oder andere Register zieht. Auch mit so manchem Spruch für den im Freistaat so wichtigen Stammtisch. Wie diesen hier: „Der Islam hat die letzten 200 Jahre keine überragende Beiträge für Bayern gebracht.“ Zum Schluss übt er sich in Bescheidenheit, da kann Söder schnurren wie ein Kätzchen: Er gehe die neue Aufgabe mit „Mut und Demut“ an. „Ich bitte persönlich um eine faire Chance.“ Auf dem Parteitag bekommt er sie schon mal.
Und Seehofer? Bei seiner Wiederwahl zum Vorsitzenden erhält er 83,7 Prozent, nur ein paar Prozentpunkte weniger als zwei Jahre zuvor. Im Seehofer-Lager ist man zufrieden, weniger als 80 Prozent wären ein schwerer Schlag gewesen. Seehofer wäre politisch extrem geschwächt in die beginnenden Sondierungen mit der SPD im Bund gegangen, die er nun als Parteichef führen soll. „Mit dem heutigen Tag leiten wir eine neue Ära der Christlich Sozialen Union ein“, beginnt er seine Rede. Es gebe zwar künftig die Trennung der Ämter, „aber die Aktionseinheit der CSU bleibt“. Gleich zu Beginn hält Seehofer eine Lobesarie auf Söder. Der habe in seinen Ämtern immer „eine vorzügliche, bravouröse, fehlerfreie Arbeit“ abgeliefert. „Deshalb sage ich euch: Markus Söder, wenn es um das Amt des Ministerpräsidenten geht, er kann es und er packt es.“ Ein wenig geheuchelt klingt das schon.
Zehn Jahre ist Seehofer Ministerpräsident gewesen, während seiner einstündigen Rede scheint ihn ein ums andere Mal so etwas wie Rührung zu übermannen. Als er geendet und stehenden Applaus bekommen hat, verlässt er langsamen Schrittes die Bühne. Edmund Stoiber, der frühere Ministerpräsident, dem man seinerzeit auch das Amt nahm, drückt ihn unten fest an sich. Söder schüttelt Seehofer nur geschäftsmäßig die Hand. Das muss reichen für ein bisschen Frieden.