Bundestagswahl 2017 Debat-O-Meter zum TV-Duell: Riesiger Zuspruch für AfD - Lindner punktet bei jungen Männern

Im ersten TV-Duell vor der Wahl hatten die Kandidaten der kleinen Parteien ihren Auftritt. Vor allem AfD-Fans bewerteten den Schlagabtausch live im Debat-O-Meter.

Foto: Fotos: FDP/dpa; Combo: WZ

Düsseldorf. Zehn Fragen können viel sein — und gut zwei Stunden wirklich lang: „Die 10 wichtigsten Fragen der Deutschen“ ließ Claus Strunz am Mittwochabend auf Sat 1 die Spitzenpolitiker von FDP, Grünen, Linke und AfD beantworten. Im ersten von drei TV-Duellen vor der Bundestagswahl trafen für die FDP Christian Lindner, die Grünen-Chefin Katrin Göring-Eckardt, Linken-Vorsitzende Katja Kipping und AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel aufeinander. Wie die Kandidaten sich schlugen, konnten Zuschauer im Debat-O-Meter live bewerten. Die Online-Anwendung der Uni Freiburg erlaubt Stimmabgaben in Echtzeit — per Smartphone und im Sekundentakt. Die nächtliche Blitzauswertung der Teilnehmerschaft zeigte: Vor allem AfD-Anhänger machten mit.

Innere Sicherheit, die Finanzierung des Gesunheitswesens, mehr Jobs, von denen man Leben kann oder Konzepte gegen Altersarmut standen auf der Agenda, dazu in zahllosen Varianten das Thema Zuwanderung. Hier ging es in eigenen Blöcken ebenso um die Durchsetzung von Abschiebungen, um die Organisation von Zuwanderung wie auch um die Bekämpfung von Terror. Das mag der Versuch gewesen sein, die Debatte anzuheizen. Klappte aber nur bedingt. Zwar wurde der Abend an einigen Stellen lebhaft — und die Angriffe teils recht persönlich. Aber insgesamt zog sich die Sendung in die Länge.

Dabei hat das Konzept durchaus Charme: Die drängenden Fragen wurden per Umfrage unter 2000 Bürgern ermittelt. Zu den Themen gab es Einspieler mit Basis-Informationen, und bei vier Blöcken durften dann Betroffene die Fragen stellen — ein Mindestlöhner, ein überstundengeplagter Polizist, eine überlastete Krankenschwester, eine Terror-Augenzeugin. Motto: Politiker trifft Wähler. Doch egal ob hier oder bei den übrigen Themen, zu denen Moderator Strunz die Fragen formulierte: In den je 30 Sekunden für ihre Antworten blieben die Kandidaten oft hölzern. Und inhaltlich kam das Erwartbare. Kostproben: Mehr Polizisten und besser Ausstattung von FDP — und hier stimmten im Grundsatz sogar alle zu —, mehr Steuern für Millionäre von der Linken, strengere Passkontrollen und gern auch Grenzzäune von der AfD und die solidarische Rentenkasse von den Grünen, die auch Abgeordnete und Selbstständige einzahlen lasssen wollen.

Selbst die Zuwanderungsthemen wollten nicht so recht zünden — vielleicht, weil AfD-Frau Weidel sich ziemlich zurückhielt. Sie brachte die Idee vom Grenzzaun an, betonte die Notwendigkeit konsequenter Abschiebungen und warf auch einmal das Schlagwort Minus-Zuwanderung ein, was jedoch nicht so recht verfing. Vielleicht, weil ihre Erklärung etwas kryptisch blieb — oder weil die Zuschauer da schon etliche Runden hinter sich hatten.

Da wurde es interessanter, als Weidel sich auf Strunz‘ Provokation hin genötigt sah, ihren Mit-Spitzenkandidaten Gauland zu verteidigen. Der hatte die „Entsorgung“ der Staatsministerin Aydan Özoguz gefordert, und zwar „nach Anatolien“. Da habe er sich „im Ton vergriffen“, so Weidel, die Aussage „tut ihm leid“. Gauland selbst hatte noch am Monatagbend im ARD-Talk „hart aber fair“ eine Entschuldigung für seine Aussage abgelehnt.

Bei den Teilnehmern des Debat-O-Meters erhielten FDP und AfD die größte Zustimmung, Grüne und Linke lagen deutlich hinten. Ein Ergebnis, das nicht überrascht — denn von den bundesweit mehr als 12.000 Teilnehmern gaben in der Vorbefragung satte 45,6 Prozent an, AfD-Anhänger zu sein. Das Phänomen, dass eine Partei ihre Anhängerschaft besonders zahlreich zur Debat-O-Meter-Teilnahme bewegt, gab es auch schon bei den TV-Duellen zur NRW-Landtagswahl. Hier dominierten deutlich die CDU-Anhänger mit mehr als 35 beim zweiten und sogar mehr als 50 Prozent beim ersten Duell.

Entsprechend abgeschlagen kamen am Mittwochabend bei der Frage, wen die Debat-O-Meter-Teilnehmer wählen würden, die Linke auf 7,2 Prozent, die Grünen auf 4,6 Prozent und die FDP auf 18,5 Prozent; noch unentschlossen waren 14,9 Prozent. Union-Anhänger waren mit 3,6 Prozent vertreten, SPD-Wähler mit 5,5 Prozent. 14,9 Prozent gaben vorab an, noch unentschlossen zu sein. 0,1 Prozent wollten gar nicht wählen gehen.

Und wer hat die Debatte nun gewonnen? Von den im Anschluss befragten 2200 Zuschauern (Stand: 1:06 Uhr, ungewichtet), sahen 39,5 Prozent Christian Lindner vorne. Auf Platz 2 wurde Alice Weidel (30,6 Prozent) gewählt, während Katrin Göring-Eckardt mit 11,1 Prozent noch hinter Katja Kipping (11,8 Prozent) landete. 7,1 Prozent sahen keinen Gewinner in der Debatte.

Besonders interessant sind die Unentschlossenen. Bei ihnen war Christian Lindner der Gewinner (33,3%), Alice Weidel kam auf Platz 2 (31,4%), Katja Kipping wurde Dritte (14,7%) und Katrin Göring-Eckardt landete auf dem letzten Platz (10,8%). Keinen Sieger sahen 9,8%.

Als Partei konnte in dieser Gruppe vor allem die AfD profitieren: 23% aus der Gruppe, die nach dem Duell den Fragebogen ausfüllten, konnten die Rechtspopulisten für sich gewinnen. Die FDP konnte 16% auf ihre Seite ziehen. Kaum profitieren konnten die Linke mit 8%, und die Grünen konnten niemand hinzugewinnen. Beachtlich ist, dass 53% der vorher Unentschlossenen weiterhin Unentschlossen blieben.

Im Anschluss an die Debatte wurde zudem gefragt, wie glaubwürdig, sympathisch und kompetent die Spitzenkandidaten der kleinen Parteien waren. Auch hier wurde Christian Lindner als am glaubwürdigsten bewertet, gefolgt von Alice Weidel und Katrin Göring-Eckardt. Am Ende steht Katja Kipping. Die gleiche Reihenfolge gilt für die Frage nach persönlicher Sympathie.

Betrachtet man die Images der Politiker nach Glaubwürdigkeit, Sympathie und Kompetenz fällt auf, dass bei diesen Eigenschaften Lindner vor allem bei jungen Männern in Westdeutschland punktet, während Alice Weidel eher bei den Älteren Männern in Ostdeutschland gut abschneidet.

Die beiden Ostdeutschen Kipping und Göring-Eckardt werden durchgehend im Westen besser bewertet als in Ostdeutschland. Ebenso schneiden beide bei den Frauen besser als bei den Männern ab, "was auf eine gewissen Kampf der Geschlechter hinweist" - so interpretieren es die Freiburger Politikwissenschaftler. Bei Katja Kipping ist bei der Differenzierung nach Alter kein Unterschied festzustellen während Katrin Göring-Eckardt bei den Jungen besser abschneidet als bei den Alten.