Die Deutsch-Amerikaner geben den Ausschlag

In den Wechselwähler-Staaten sind Menschen mit deutschen Wurzeln klar in der Mehrheit.

Chicago. Wer ins Weiße Haus einziehen will, muss die Deutsch-Amerikaner auf seine Seite ziehen. 48 Millionen und damit fast jeder sechste US-Bürger hat Wurzeln in Deutschland. Und vor allem: In den wichtigen Wechselwählerstaaten Ohio, Iowa und Wisconsin im Norden des Landes stellen die Deutsch-Amerikaner bei weitem die größte Gruppe.

Zwar sind die meisten Familien bereits seit vielen Generationen in den USA, doch gerade dann ist das Bewusstsein für die eigene Herkunft sehr präsent. „Derzeit ist es wieder in, sich auf seine deutschen Wurzeln zu berufen“, sagt Anke Ortlepp, Professorin für Amerikanische Kulturgeschichte an der Universität München. Das habe zum einen mit der im Vergleich zu den USA guten Wirtschaftslage und der niedrigen Arbeitslosigkeit in Deutschland zu tun.

Zum anderen haben Forscher festgestellt, dass sich die ersten Generationen nach der Einwanderung zwar sehr stark anpassen, ihre Nachkommen sich dann aber wieder intensiv für die eigene Herkunft und die Kultur ihrer Ahnen interessieren. Die Folge: „Brauchtumsvereine haben regen Zulauf, Dialekte wie Rheinisch werden gepflegt, und in vielen Regionen entstehen kleine Brauereien, die deutsches Bier produzieren“, erklärt Ortlepp.

Dass sich die deutschen Einwanderer vor allem im Norden und Mittleren Westen ansiedelten, ist laut Ortlepp historisch bedingt: „Als die Auswanderung in Deutschland um das Jahr 1830 einsetzte, waren die Gebiete an den großen Seen gerade von der US-Regierung zur Besiedlung freigegeben worden.“ Es kamen in der Regel ganze Familien über den Ozean, sodass sich schnell gefestigte Gemeinden mit deutscher Kultur bildeten.

So unterschiedlich Rheinländer, Schwaben und Sachsen in Deutschland waren, so heterogen blieben sie auch in der neuen Heimat. Und das machte sich langfristig auch beim Wahlverhalten bemerkbar. „Während der großen Einwanderungswellen wählten die meisten Deutschen die Republikaner“, sagt Ortlepp, „allerdings galt die Partei damals auch als fortschrittlich und einwanderer-freundlich.“

Heute lasse sich bei den Deutsch-Amerikanern kein einheitliches Wahlverhalten durch die Herkunft ableiten. „Es spielt viel eher eine Rolle, wo die Menschen leben. Grundsätzlich gilt: je ländlicher die Region, desto eher geht die Stimme an den Republikaner Mitt Romney“, sagt die Kulturforscherin. Die Großstädte Chicago, Cincinatti und Minneapolis stünden hingegen auf Seiten Obamas.

Welche Seite triumphiert, ist derzeit völlig offen. Klar ist hingegen, dass der Sieg des eigenen Kandidaten häufig mit einem Bier nach deutscher Brauart gefeiert werden wird.