Düsseldorfs Wagenbauer Jacques Tilly: „Wir lassen uns nicht einschüchtern“

Der bekannte Wagenbauer hat schon mehrfach Islamisten im Rosenmontagszug aufs Korn genommen. Angst hat er auch jetzt nicht, sagt er.

Foto: Nanninga

Düsseldorf. Die Karnevalisten in Düsseldorf wollen sich von dem bestialischen Mordanschlag auf die Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ in Paris nicht einschüchtern lassen. Im Fokus steht besonders Wagenbauer Jacques Tilly, der mit seinen bissigen Mottowagen seit Jahren immer wieder für Furore sorgt — und nicht selten für Aufregung und Ärger.

Foto: Sergej Lepke

Auch unter Muslimen. Tilly will seiner Linie treu bleiben, die da heißt: „Niemand wird bevorzugt, indem er verschont bleibt“. Und das Düsseldorfer Carnevals Comittee (CC) stützt ihn dabei: „Wir lassen uns nicht einschüchtern“, sagt CC-Chef Josef Hinkel, „der Karneval darf und muss Missstände satirisch aufzeigen, dabei bleibt es.“

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Das heißt: Es kann durchaus sein, dass wieder ein Mottowagen durch die Landeshauptstadt rollen wird, der den radikalen Islamismus böse aufs Korn nimmt. Festnageln freilich lässt sich Tilly darauf noch nicht. „Man muss im Blick haben, nicht die Sache der Pegida zu bedienen“, sagt er.

Tilly hält die Fahne von Meinungs-, Pressefreiheit und der Satire, die alles darf, hoch. Aber natürlich gehen er und die Karnevalisten nicht gedankenlos aufs Ganze, koste es , was es wolle. „Wir bauen alle Wagen mit Augenmaß, provozieren nicht mutwillig.“ Zudem gebe es immer so etwas wie eine Folgen-Abschätzung. Angst habe er aber nicht, obwohl er immer wieder mal beschimpft und auch schon bedroht worden sei wegen seiner Wagen im „Zoch“. „Ein gewisses Risiko muss man in Kauf nehmen, oder man macht es wie andere Karnevalshochburgen, die von vorneherein heikle Themen ausklammern.“

In ernsthafter Gefahr habe er sich bislang nicht befunden, Illusionen mache er sich jedoch nicht: „Was jetzt passiert ist, ist von einer bislang kaum vorstellbaren Grausamkeit. Und es ist ein Anschlag auf unsere Grundwerte, auf unsere Identität.“

Deshalb sei es so toll, dass sich jetzt überall auf der Welt so viele mit „Charlie Hebdo“ solidarisierten. Doch dass es mehr Mut erfordert, radikale, terroristische Islamisten offen mit Satire anzugreifen, als zum Beispiel die katholische Kirche oder die Bundeskanzlerin, liegt auf der Hand. „Vor Jahren war genau das ein Vorwurf an uns: Überall seid ihr extrem frech, nur an das Thema Islam traut ihr euch nicht“, erinnert sich Tilly. Diese Kritik hat sich erledigt, nachdem der Wagenbauer mehrfach den Gegenbeweis auf die Straße gebracht hat: 2007 zeigte er Flagge im Streit um die Mohammed-Karikaturen in Dänemark.

Und im selben Zug setzte er zwei identische Selbstmordattentäter aus Pappe nebeneinander — auf einer stand Klischee, auf der anderen Wirklichkeit. Es hagelte Protest, unter anderem vom Zentralverband der Muslime in Deutschland. 2008 verhohnepipelte er Al-Kaida-Chef „Osama bin Baden“ in einer Badewanne, ein Jahr später wurde die Groß-Moschee in Köln karikiert, 2011 nahm Tilly sich die Burkas zur Brust, dann zweimal den iranischen Regierungschef Ahmadinedschad, den er 2012 sogar in Form eines NS-Hakenkreuzes auf einen Wagen klebte.

Der 51-Jährige Familienvater betont, es gehe ihm nie darum, die religiösen Gefühle von jemandem zu verletzen. „Alle sollen sich amüsieren können. Manche Mottowagen sind insofern eher als Lockerungsübung für religiös verengte Menschen gedacht.“

2005, da habe er sich geärgert, als sich nicht genug Politiker und Medien eindeutig auf die Seite des massiv bedrohten dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard gestellt hätten. Tilly: „Das ist jetzt zum Glück ganz anders. Ich habe noch nicht einen Vorwurf an die Macher von ,Charlie Hebdo’ gehört. Das lässt hoffen.“