Wuppertal. Jedes Jahr verbraucht Deutschland rund 88 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Somit ist Erdgas mit einem Anteil von 23 Prozent nach Mineralöl der wichtigste Bestandteil des deutschen Energiemixes, zu dem auch Stein- und Braunkohle, Uran sowie erneuerbare Energiequellen gehören. Die weltweiten Reserven reichen nach heutigen Berechnungen die nächsten 65 Jahre - eventuell auch länger, wenn neue Felder, die zum Beispiel am Nord- und Südpol vermutet werden, erschlossen werden.
Für Stefan Lechtenböhmer vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie ist eine Erschließung dieser Felder nicht nötig: "Meiner Ansicht nach reichen unsere verfügbaren Öl- und Gasreserven aus", sagt er. "Wir nutzen Erdgas als Brückenenergie, um von Öl und Steinkohle loszukommen, und müssen bis zum Ende des Jahrhunderts sowieso komplett auf regenerative Energieformen umsteigen, denn die CO2-Aufnahme unserer Atmosphäre ist begrenzt."
Erdgas ist als Brückenenergie deshalb so gut geeignet, weil es die weißeste Weste unter den fossilen Energieträgern hat. Es enthält keinen gebunden Stickstoff und so gut wie keinen Schwefel, so dass sich bei der Verbrennung keine Stickoxide und kein Schwefeldioxid bilden, die zur Entstehung von saurem Regen beitragen. Außerdem hat Erdgas den geringsten Gehalt von Kohlenstoff und weist dadurch bei der Verbrennung den niedrigsten CO2-Ausstoß auf. Es entstehen auch praktisch kein Ruß oder andere Feinpartikel.
Doch es gibt auch eine Kehrseite der Medaille: mangelnde Preissicherheit. Die Preise haben sich seit 2004 mehr als verdoppelt. Und die Preisspirale dreht sich weiter. Allein in Nordrhein-Westfalen erhöhen dieser TageGasversorger ihre Preise - im Schnitt um 15Prozent.
Anders als beim Öl gibt es beim Erdgas keinen frei gebildeten Weltmarktpreis. Weil es in Deutschland nur über Pipelines importiert wird, haben die deutschen Gasversorgungsunternehmen langfristige Verträge mit den Lieferländern abgeschlossen.
Darin gibt es eine Ölpreisbindungsklausel: Immer, wenn der Ölpreis steigt oder sinkt, zieht der Preis für Erdgas mit einer Verzögerung von drei bis sechs Monaten nach. Diese Preisbindung wird bei den momentan stark steigenden Öl-Preisen heftig diskutiert. Bewiesen ist aber, dass der Gaspreis in Ländern ohne Ölpreisbindung wie Großbritannien oder USA ebenfalls dem Ölpreis folgt.
Wie sich der Erdgaspreis entwickeln wird, wagt Lechtenböhmer nicht zu prognostizieren: "Das hängt von der Entwicklung der Nachfrage und des Ölpreises ab, aber Gas wird zukünftig bestimmt nicht billiger."
Deutschland deckt seinen Bedarf zu 85 Prozent mit Importen. Mit 35 Prozent trägt Russland, das über ein Viertel der weltweiten Erdgasreserven verfügt, maßgeblich zur Deckung des Verbrauchs bei. 27 Prozent kommen aus Norwegen. 20 Prozent importiert Deutschland aus den Niederlanden, insgesamt sechs Prozent aus Großbritannien und Dänemark.
Bis zu einer Entfernung von 4000 Kilometern ist der Transport über Pipelines am wirtschaftlichsten. Doch es gibt eine Alternative, die die Abhängigkeit von Russland verringern würde: Liquefied Natural Gas. Dabei handelt es sich um Erdgas, das am Produktionsstandort verflüssigt, über Tanker verschifft und in Anlandeterminals regasifiziert wird. Diese Transportmethode ist zwar teurer, ermöglicht aber einen Import aus der ganzen Welt.
Rund 15 Prozent des Erdgasverbrauchs werden im Inland gefördert, vor allem in der Nordsee. "Doch Deutschland wird nur noch eine begrenzte Zeit selbst fördern können, weil sich die Reserven dem Ende zuneigen", sagt Helwig Falk, Energieberater bei der Energieagentur NRW. Die Bedeutung von Importen steigt.