Konflikt EU-Hilfen für Waffen - ukrainischer Geheimdienstchef entlassen

Die Ukraine erhält von der EU weitere Millionen für Waffen. Im Land selber trifft Präsident Selenskyj eine wichtige Personalentscheidung. Putin hingegen spricht offen und deutet Probleme mit den westlichen Sanktionen an.

der ukrainische Präsident hat seinen Geheimdienstchef entlassen.

Foto: dpa/Ukrainian Presidential Press Off

Knapp fünf Monate nach Kriegsbeginn will die EU weitere 500 Millionen Euro für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte zur Verfügung stellen. „Europa steht an der Seite der Ukraine“, erklärte EU-Ratspräsident Charles Michel am Montag nach Beratungen der Außenminister der EU-Staaten in Brüssel. Unterdessen setzte Präsident Wolodymyr Selenskyj aus Ärger über „Verrat“ im ukrainischen Sicherheitsapparat die Chefs von Geheimdienst und Generalstaatsanwaltschaft ab.

Nach der Entlassung des Geheimdienstchefs machte Selenskyj dessen bisherigen Stellvertreter zum Interimschef. Einem Erlass vom Montag zufolge soll Wassyl Maljuk vorerst den Geheimdienst SBU leiten. Am Vortag hatte Selenskyj seinen Jugendfreund Iwan Bakanow, der den Dienst mit seinen mehr als 30 000 Mitarbeitern seit 2019 leitete, aus dem Amt entfernt.

Offiziell wurden seine Entlassung sowie die von Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa mit einer hohen Zahl an Mitarbeitern begründet, die aus dem Sicherheitsapparat zu den russischen Besatzern in der Südukraine übergelaufen sein sollen. Es gebe 651 Strafverfahren gegen Mitarbeiter von Staatsanwaltschaft und anderen Strafverfolgungsbehörden wegen Hochverrats und Kollaboration mit russischen Diensten, so Selenskyj. Medien verwiesen allerdings auch darauf, dass der 47-jährige Bakanow als Fachfremder nur wenig Autorität unter seinen Angestellten genossen habe. Die Generalstaatsanwaltschaft soll vorübergehend von Oleksij Simonenko geleitet werden.

EU schnürt neues Hilfspaket für Waffen für Ukraine

Die neuen EU-Mittel kommen aus der sogenannten Europäischen Friedensfazilität - ein neues Finanzierungsinstrument der EU, das genutzt werden kann, um Streitkräfte in Partnerländern zu stärken. Mit der neuen Unterstützung erhöhen sich die für Kiew infolge des Kriegs zur Verfügung gestellten EU-Mittel für Militärhilfe auf 2,5 Milliarden Euro. Ein erstes Hilfspaket über 500 Millionen Euro war bereits Ende Februar bewilligt worden, drei weitere dann im März, April und Mai. Mit den Geldern werden laut EU Waffen, aber auch Dinge wie Schutzausrüstung, Sanitätsmaterial und Treibstoff finanziert. Bei ihrem treffen in Brüssel wollten die EU-Außenminister am Montag über ein mögliches neues Sanktionspaket gegen Russland beraten.

Moskau sieht keine zeitliche Begrenzung des Krieges

Russland betonte am 145. Tag des Krieges, dass es für die Dauer des Einsatzes keine Fristen gebe. „Es gibt keine festen Zeitrahmen. Das Wichtigste sei die Wirksamkeit der Umsetzung dieser Operation“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in einem Interview. Wenn alle Ziele in der Ukraine erreicht seien, würden die Kampfhandlungen eingestellt, sagte er dem iranischen Rundfunk. Das Staatsfernsehen in Moskau brachte Auszüge aus dem Gespräch.

Peskow gab das Interview vor einem Besuch von Kremlchef Wladimir Putin an diesem Dienstag im Iran. Putin und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan wollen in Teheran Präsident Ebrahim Raisi treffen. Für den Gipfel sind offiziell Gespräche über eine Verbesserung der Lage im Bürgerkriegsland Syrien geplant. Nach Kremlangaben geht es allerdings um eine ganze Reihe Fragen der internationalen Politik. Die US-Regierung vermutet, dass Russland iranische Kampfdrohnen für den Krieg gegen die Ukraine erwerben will.

Putin will Sanktionen mit neuen Lösungen trotzen

Putin bezeichnete die westlichen Sanktionen als Herausforderung, zeigte sich aber weiter optimistisch. „Es ist klar, dass dies eine große Herausforderung für unser Land ist, aber wir werden nicht nur nicht aufgeben“, sagte er der Agentur Interfax zufolge. „Natürlich nicht, im Gegenteil: Während wir die kolossale Menge an Schwierigkeiten anerkennen, die vor uns stehen, werden wir intensiv und kompetent nach neuen Lösungen suchen.“

Das Verteidigungsministerium in Moskau bekräftigte unterdessen eine geplante Ausweitung von Angriffen in der Ukraine. Minister Sergej Schoigu habe die gezielte Zerstörung von ukrainischen Raketen und Artillerie angeordnet, hieß es. Der Sprecher des Ministeriums, Igor Konaschenkow, sagte, im östlichen Gebiet Donezk sei eine Gruppierung ausländischer Söldner angegriffen worden. Es seien bis zu 250 Kämpfer getötet worden. Zudem bestätigte er Angriffe auf das südliche Gebiet Mykolajiw. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Russland hat die Ukraine Ende Februar überfallen. Die Kämpfe konzentrieren sich derzeit auf Gebiete im Osten und im Süden der Ukraine. Dank westlicher Waffenlieferungen schien es der Ukraine zuletzt zu gelingen, vor allem im Süden Gegenangriffe zu starten.

Die ukrainische Armee schlug nach Angaben ihres Generalstabs vom Sonntagabend russische Angriffe im Donbass nahe der Städte Slowjansk und Bachmut zurück. Aus der Region Sumy im Norden der Ukraine meldete die Verwaltung am Sonntag über 50 Mal Beschuss mit Artillerie. Auch diese Angaben ließen sich nicht unabhängig verifizieren.

Russische Söldner in der Ukraine

Nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten füllt die russische Söldnertruppe Wagner bei den Kämpfen in der Ukraine zunehmend Lücken der russischen Streitkräfte. So hätten die Söldner wohl in jüngsten Gefechten eine zentrale Rolle gespielt, beispielsweise bei der Einnahme der Städte Popasna und Lyssytschansk, hieß es auf dem Twitter-Account des Verteidigungsministeriums in London am Montag. Die britischen Experten gehen allerdings auch davon aus, dass die Söldnertruppe schwere Verluste hinnehmen musste.

(dpa)