Für Christian Wulff wird es richtig eng
Die Kredit- und Medien-Affäre des Bundespräsidenten nimmt eine neue Dimension an. Kann er sich im Amt halten?
Berlin. Am frühen Nachmittag schien Christian Wulff noch ganz entspannt. Bei einem Gespräch mit Journalisten ging es um Italien, Griechenland und die Schuldenkrise, um den Euro und nur am Rande um die Vorwürfe, denen sich der Bundespräsident seit nun mehr als zwei Monaten ausgesetzt sieht. Doch mit der Entscheidung der Staatsanwaltschaft in Hannover am Donnerstagabend hat die Affäre Wulff eine neue Dimension angenommen.
Es ist in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig, dass nun der Bundestag die Aufhebung der Immunität des Staatsoberhaupts beschließen soll. Dem Antrag wird das Parlament voraussichtlich folgen.
Damit ist zwar der Ausgang der rechtlichen Auseinandersetzung noch lange nicht absehbar. Manche Experten meinen, die Ermittlungen würden mit großer Wahrscheinlichkeit wegen Mangels an Beweisen eingestellt werden. Nur: Kann sich Wulff so lange im Amt halten? Die Forderungen nach Rücktritt, gerade etwas leiser geworden, dürften nun noch lauter als je zuvor erschallen.
Seit dem 13. Dezember vergangenen Jahres widersetzt sich Wulff klar und entschlossen allen Forderungen, wegen der diversen Vorwürfe Konsequenzen zu ziehen. An diesem Tag ging die „Bild“ mit dem 500 000-Euro-Privatkredit für Wulffs Einfamilienhaus in Großburgwedel und sein bisheriges Schweigen darüber an die Öffentlichkeit.
Doch dies war nur der Anfang: Danach kam der plötzliche Abgang seines Sprechers Olaf Glaeseker, gegen den inzwischen ermittelt wird, kamen Berichte über Urlaube bei Unternehmerfreunden auf Mallorca und in Florida, über Staatshilfen für den Party-Manager Manfred Schmidt. Und wenn es so schien, das Interesse habe nachgelassen, kamen neue Berichte — zuletzt der Sylt-Urlaub mit dem befreundeten Film-Financier David Groenewold.
Ausgerechnet dieser Kurzurlaub und die Frage, ob Wulff die Kosten tatsächlich später in bar an Groenewold gezahlt oder eben doch kostenlos Urlaub gemacht hat, könnten nun kritisch für den Bundespräsidenten werden. Denn unabhängig vom Ausgang der Ermittlungen: Alle, die seit zwei Monaten den Rücktritt des Bundespräsidenten fordern, dürften sich bestätigt fühlen.
Wirklich abtreten muss Wulff deshalb noch lange nicht. Erst wenn tatsächlich Anklage erhoben werden sollte, wäre er endgültig nicht mehr zu halten. Die Frage scheint eher, ob er und seine Frau Bettina dem erwarteten massiven politischen Druck noch standhalten können.
Unübersehbar hat die Affäre schon jetzt Spuren hinterlassen. Der Präsident erscheint abgemagert, manchmal unkonzentriert. Wie gerne würde er sich um seine politischen Aufgaben kümmern, wie zuletzt in Italien für Europa werben. Aber selbst beim Staatsbesuch in Rom zu Beginn dieser Woche musste sich Wulff immer wieder bohrende Fragen gefallen lassen.