Großer Rückhalt für Lindner
FDP steht beim Landesparteitag zum Jamaika-Ausstieg. Joachim Stamp mit 93 Prozent zu Lindners Nachfolger als Landesparteichef gewählt.
Neuss. Wer geglaubt hatte, es gebe bei den Liberalen vielleicht Kritik daran, dass die FDP nicht ihrer „staatspolitischen Verantwortung“ gerecht geworden sei, als sie aus den Jamaika-Verhandlungen ausstieg, sieht sich am Samstag getäuscht. Wie ein Mann steht die Landespartei beim Parteitag in der vollbesetzten Neusser Stadthalle hinter der von ihrem Chef Christian Lindner (38) geführten Delegation, die die Berliner Gespräche vor einer Woche abgebrochen hatte. „Wir fühlen uns auch nach der Wahl an das gebunden, was wir vor der Wahl gesagt haben“, ruft er in den Saal.
In den Medien sei Jamaika zu einem romantischen Sehnsuchtsort verklärt worden. Doch das sei „kein unentdeckter Kontinent“ gewesen. Die Gespräche seien von fortwährenden Indiskretionen geprägt gewesen und man habe sich bei den vierwöchigen Verhandlungen über die Zeit eher voneinander entfernt. Lindner wiederholt seine Parole, dass es besser sei, nicht zu regieren, als falsch zu regieren. 41 Minuten lang erläutert der nach fünfeinhalb Jahren aus dem Amt scheidende Landesvorsitzende, der sich ganz auf die Bundespolitik konzentrieren will, den Delegierten, wo es nicht zu überbrückende Streitpunkte gab. Beim Thema Flüchtlinge, bei der Abschaffung des Solidarzuschlags, bei den Themen Europa und Klima.
Und hier schlägt er die Brücke zur Landespolitik. Von einer von den Grünen favorisierten Energie- und Klimapolitik wäre vor allem NRW betroffen gewesen, sagt er. Auch die FDP leugne nicht den Klimawandel. Es müssten die effizientesten Wege gefunden werden, um CO2 einzusparen. Man sei offen für neue Technologie. Beim Thema Kohleausstieg gehe es aber auch um die Versorgungssicherheit. Hier wäre es zu Strukturbrüchen und sozialen Härten gekommen. Im Nachbarland Belgien stehe ein Atomreaktor, „und wir sprechen mit den Belgiern seit langem darüber, diesen Reaktor endlich abzuschalten. Das könnten die Belgier aber nur, wenn sie konventionelle Stromkapazitäten aus NRW bekämen“, sagt Lindner.
Dass „mein Freund“ Armin Laschet, der CDU-Ministerpräsident, all dem trotz Bedenken zugestimmt hatte, habe parteipolitische Zwänge zum Hintergrund, „das machen wir niemandem zum Vorwurf“. Aber man dürfe die schwarz-gelbe Koalition in NRW nicht zur verlängerten Werkbank der Groko machen, und auch nicht zur verlängerten Werkbank von Jamaika. „Unsere Identität, unsere Anliegen wurden bei den Jamaika-Gesprächen gar nicht ernst genommen“, ruft Lindner. „Man glaubte, uns im Sack zu haben.“ Doch da habe man sich getäuscht.
Nach der Rede wie schon bei der Begrüßung des FDP-Superstars gibt es stehende Ovationen, auf der Leinwand laufen gefühlt 100 Fotos im Schnelldurchlauf. Sie zeigen: immer wieder Lindner. Und auch die Jugendorganisation der Partei, die bei anderen Parteien meist eher einen kritischen Blick auf ihre „Senioren“ hat, ist voll auf Linie. Moritz Körner, Chef der Jungen Liberalen NRW, sagt mit Blick auf den Abbruch der Jamaika-Verhandlungen: „Ich war am Montag richtig stolz auf unsere Partei.“
Landtags-Vizepräsidentin Angela Freimuth überreicht Lindner zum Dank für fünfeinhalb Jahre Vorsitz der Landespartei ein Modellboot. Das steht als Gutschein und spendiert eben jenem Mann, der wegen seiner Leidenschaft für schnelle Autos bekannt ist, eine Schnellbootfahrt auf dem Rhein. Da kann er bald noch einmal mit ganz viel Lärm am Düsseldorfer Landtag vorbei sausen, von dem er ja bereits Abschied genommen hat.
Und dann folgt schließlich der Programmpunkt, für den der Landesparteitag eigentlich angesetzt war: die Wahl des Nachfolgers von Lindner im Landesvorsitz. Da gibt es nur einen Bewerber: Joachim Stamp (47). In seiner Bewerbungsrede lobt der Familien- und Integrationsminister im Kabinett Laschet zunächst einmal sich und seine Ministerkollegen Andreas Pinkwart und Yvonne Gebauer. „Wir zeigen, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen gestalten können. Das, was in Berlin nicht ging, nämlich Trendwenden einzuleiten, das machen wir hier in NRW.“ Er wolle auch deshalb Landesvorsitzender der FDP werden, weil er als Vizeministerpräsident mit Regierungschef und CDU-Chef Armin Laschet auf Augenhöhe verhandeln wolle. Auch verweist Stamp darauf, dass er dreimal in Bonn das Direktmandat für den Landtag gewonnen habe. Und er verspricht: „Wir müssen als Partei wieder attraktiver für Frauen werden. Wir waren und wir sind keine One Man Show, wir sind eine gut aufgestellte Mannschaft.“ Und deren Mannschaftsführer wird er tatsächlich. Die Delegierten wählen ihn mit 349 von 376 Stimmen, knapp 93 Prozent.