Behörden in Kabul verärgert 69 Afghanen mit Sammelflug abgeschoben

Kabul (dpa) - Bund und Länder haben trotz der sich verschärfenden Sicherheitslage in Afghanistan so viele abgelehnte afghanische Asylbewerber wie noch nie nach Kabul abgeschoben.

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Am Mittwochmorgen kam ein Sammelflug mit insgesamt 69 Flüchtlingen an Bord am Flughafen der afghanischen Hauptstadt an, wie Mitarbeiter internationaler und afghanischer Flüchtlingsinstitutionen in Kabul bestätigten. Die mit 34 Abschiebekandidaten bisher größte Gruppe war mit dem ersten Sammelflug im Dezember 2016 angekommen. Nun wurden allein 51 Menschen aus Bayern abgeschoben, wie es in einer Stellungnahme der Staatsregierung hieß.

Vertreter des Flüchtlingsministeriums in Kabul reagierten empört. Es gebe eine mit Deutschland vereinbarte Obergrenze von 50 Passagieren, sagte ein afghanischer Beamter, der namentlich nicht genannt werden wollte, der Deutschen Presse-Agentur. „Die Deutschen haben einen Fehler gemacht.“ Man habe die deutschen Polizisten an Bord auf die hohe Zahl angesprochen. Die Antwort sei gewesen, dass man die früheren geringeren Passagierzahlen habe wettmachen wollen. Seit Ende 2016 hat Deutschland insgesamt rund 300 Afghanen abgeschoben.

Der Stellungnahme der bayerischen Staatsregierung zufolge haben sich auch Hamburg, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Berlin, Rheinland-Pfalz, Hessen und Schleswig-Holstein an der Abschiebung beteiligt. Unter den 51 aus Bayern abgeschobenen Männern seien fünf Straftäter gewesen. Zu der Identität der anderen Passagiere gab es zunächst keine weiteren Informationen. „Die Afghanen mussten Deutschland verlassen, nachdem ihnen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rechtskräftig kein Asylrecht zuerkannt hatte“, hieß es in der Mitteilung.

Flüchtlingsaktivisten von Pro Asyl und Bayerischem Flüchtlingsrat kritisierten, dass die seit einem schweren Anschlag vor der deutschen Botschaft in Kabul geltende Selbstverpflichtung, nur Straftäter, terroristische Gefährder und sogenannte Identitätstäuscher abzuschieben, weggefallen sei. Selbst „gut integrierte Personen“ sollten nun abgeschoben werden. „Vor allem für Bayern gibt es offenbar keine Grenzen mehr“, sagte Bernd Mesovic von Pro Asyl.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, „dass Abschiebungen nach Afghanistan nach der jüngsten Einschätzung des Auswärtigen Amtes und des Bundesinnenministeriums wieder uneingeschränkt stattfinden können und damit die Beschränkung auf Straftäter, Gefährder und hartnäckige Identitätsverweigerer entfällt“.

Der Bayerische Flüchtlingsrat hatte am Dienstagabend eine Stellungnahme veröffentlicht, wonach auch Auszubildende, darunter ein Bäcker-Azubi, Berufsschüler und ein Mann in einem festen Arbeitsverhältnis auf der Abschiebe-Liste standen. Ahmed Hussain, 28, aus der unsicheren Provinz Wardak sagte, er habe sechs Jahre lang in Deutschland als Wächter und in Pizzarestaurants gearbeitet und Steuern gezahlt. Mohammad Nasar, 21, aus der Provinz Nangarhar beklagte, die Polizei habe ihn aus dem Schlaf gerissen, er habe nicht mal packen oder jemanden benachrichtigen dürfen.

Die Abschiebungen sind wegen der sich rasant verschlechternden Sicherheitslage in Afghanistan umstritten. Die radikalislamischen Taliban lehnen Friedens- und Waffenstillstandsangebote ab und verschärfen ihre Angriffe auf Regierung, Sicherheitskräfte, Bezirks- und Provinzzentren. Sie kontrollieren nach Militärangaben mehr als 14 Prozent des Landes und kämpfen um weitere 30 Prozent. Die Terrormiliz Islamischer Staat verübt schwere Anschläge in urbanen Zentren.