Staatsschutz ermittelt AfD-Gäste müssen KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen verlassen

Berlin/Oranienburg (dpa) - Eine Besuchergruppe aus dem Wahlkreis von AfD-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel hat die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen wegen Äußerungen zum Massenmord der Nationalsozialisten verlassen müssen.

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Die etwa 20-köpfige Gruppe sei am 10. Juli gleich zu Beginn der Führung auffällig geworden, weil Teilnehmer mehrfach Tatsachen zum NS-Massenmord in Zweifel gezogen hätten, sagte der Sprecher der Gedenkstätten-Stiftung, Horst Seferens. Wenig später habe der Referent das pädagogische Programm abgebrochen. Die Gruppe sei des Geländes verwiesen worden. Zuerst hatte der „Tagesspiegel“ über den Vorfall berichtet.

„Diese Leute kannten sich offenbar gut aus - da wurde das gesamte Repertoire des geschichtlichen Revisionismus und des Relativismus aufgefahren“, berichtete Seferens. So seien auch Verbrechen der Nazis in dem Konzentrationslager durch Vergleich mit angeblichen Verbrechen der Alliierten relativiert und Zweifel an der technischen Durchführung der Massenmorde geäußert worden. „Dabei wurde nach unserer Wahrnehmung die Grenze zu strafbaren Äußerungen bewusst nicht überschritten“, sagte Seferens.

Die Brandenburger Polizei leitete Ermittlungen ein. Dazu ermittele der Staatsschutz in der Gedenkstätte, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums. Nach Angaben der Gedenkstätte ist es schon mehrfach zu solchen Vorfällen mit Besuchergruppen gekommen.

„Wir beobachten mit Sorge, dass zumindest Teile der AfD ganz klar solche geschichtsrevisionistischen Tendenzen propagieren“, sagte der Direktor der Gedenkstättenstiftung, Axel Drecoll, der Deutschen Presse-Agentur. „An einem herausgehobenen Ort nicht nur der NS-Vergangenheit, sondern auch einem Ort des massenhaften Sterbens und Leidens, sind für uns revisionistische oder gar rechtsradikale Diskurse überhaupt nicht tolerabel.“ Eine klare Maßgabe sei, dass bei Gruppen, aus denen solche Äußerungen kommen, das pädagogische Programm abgebrochen werde.

Die Fahrt der Gruppe vom Bodensee war vom Bundespresseamt finanziert worden. Weidel hatte die 17 Besucher am Tag vor dem Eklat in der Gedenkstätte zu einem Gespräch im Bundestag empfangen. Abends traf sie sich mit ihnen nach Angaben ihres Sprechers zum Essen. Er sagte, bei dem Besuch in Sachsenhausen sei kein Mitarbeiter Weidels zugegen gewesen, sondern nur ein Begleiter des Bundespresseamts. „Zu dem, was da genau geäußert wurde, haben wir noch kein Licht ins Dunkel bringen können“, sagte Weidels Sprecher Daniel Tapp. Von dem Zwischenfall hätten Weidel und ihre Mitarbeiter erst durch Recherchen eines Journalisten erfahren.

Das Internationale Auschwitz Komitee zeigte sich empört. „Die AfD und ihre Kernklientel entpuppen sich immer deutlicher als Ableger vom braunen Stamm, deren Aktivitäten endlich vom Verfassungsschutz beobachtet werden sollten“, verlangte Vizepräsident Christoph Heubner. „Dies belegen nicht nur die krakeelenden Auftritte von Frau Weidels Parteifreunden in der Gedenkstätte Sachsenhausen, die Überlebende des Holocaust beleidigen und erneut deutlich machen, dass antisemitisches und den Holocaust leugnendes Gedankengut in der AfD weit verbreitet ist.“

Beim Holocaust-Mahnmal nahe dem Brandenburger Tor in Berlin seien vergleichbare Fälle mit Besuchergruppen nicht bekannt, sagte eine Sprecherin der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas am Freitag. Es kämen jährlich rund 2300 Gruppen, darunter etwa 70 bis 80 des Bundespresseamtes. Darunter seien AfD-Gäste angemeldet und zum Teil auch schon dort gewesen - stets „unauffällig“, wie es hieß.

Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung finanziert die Besuche und organisiert sie gemeinsam mit den Büros der Abgeordneten. Jeder Bundestagsabgeordnete kann drei Mal pro Jahr bis zu 50 Bürger aus seinem Wahlkreis nach Berlin einladen. Die Fahrten dienen der politischen Bildung.

Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer sagte, ein Besuch der Gruppe in der Gedenkstätte sei von Weidel gewünscht worden. „Wir stehen zu dem Thema im Austausch mit den Gedenkstätten“ fügte sie hinzu. Sie betonte, die Bundesregierung weise jede Verharmlosung oder Relativierung der Verbrechen der Nationalsozialisten „entschieden und unmissverständlich“ zurück.