Parteipolitik AfD: "Vorwärts in die Vergangenheit"
Asyl und kein Ende. Aber was will sie sonst noch, die AfD? Egal ob es um Bildung oder Verteidigung geht: Die rechte Partei findet ihre Vorbilder vor allem in der Vergangenheit. Gleichzeitig schürt sie das Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen.
Berlin/Salzgitter (dpa) - Die AfD wirbelt kurz vor den Landtagswahlen noch einmal mächtig Staub auf. Am Mittwoch eröffnete sie in Salzgitter eine parteieigene Dokumentationsstelle für Straftaten gegen ihre Büros und Mitglieder. In Straßburg wehrten sich die AfD-Politiker Beatrix von Storch und Marcus Pretzell gegen ihren drohenden Rauswurf aus der europäischen Fraktion der Konservativen.
„Mit dem heutigen Tage nimmt die ZESS-Zentrale Erfassungsstelle Salzgitter ihre Arbeit auf“, sagte der niedersächsische AfD-Landeschef Armin Paul Hampel in Hannover. Name, Abkürzung, Standort und Aufgabe erinnern an die „Zentrale Beweismittel- und Dokumentationsstelle der Landesjustizverwaltung (ZESt)“ in Salzgitter. Diese hatte von 1961 an die Aufgabe, in der DDR begangenes Unrecht zu dokumentieren.
Ziel der neuen Stelle sei es, „das ungeheure Ausmaß der Angriffe auf die AfD erkennbar zu machen“, sagte Hampel. Sechs ehrenamtliche Mitarbeiter würden dazu Meldungen aus den Kreisverbänden sammeln und ein Lagebild erstellen.
Auch die AfD-Abgeordneten im Europaparlament sind der Meinung, dass ihnen Unrecht geschieht. Die AfD war am Dienstagabend von der Spitze der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR) zum Austritt aus der Fraktion aufgefordert worden. Wenn sie bis Ende des Monats nicht freiwillig ausscheidet, soll am 12. April über einen Ausschluss abgestimmt werden. Betroffen wären die AfD-Abgeordneten Marcus Pretzell und Beatrix von Storch.
Von Storch vermutet dahinter eine Kampagne von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Kanzlerin wolle einen Erfolg der AfD bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt an diesem Sonntag verhindern, schrieb von Storch auf ihrer Facebook-Seite. Sie habe deshalb Einfluss auf den britischen Premierminister David Cameron ausgeübt. Dessen Partei stellt die größte Gruppe in der EKR.
In einer Pressemitteilung, die Pretzell verschickte, hieß es: „Das politische Amok-Paar Merkel-Cameron wittert seine letzte Chance“. Hans-Olaf Henkel, der von der AfD zur neuen Partei Alfa gewechselt war, sagte, diese Äußerungen seien „grotesk“ und hätten in der EKR-Fraktion für großen Unmut gesorgt.
Anlass für die Entscheidung der EKR-Spitze waren Kommentare der AfD-Politiker zur Flüchtlingskrise. Von Storch hatte erklärt, dass sie es für gerechtfertigt halte, Migranten mit Waffengewalt an einem illegalen Grenzübertritt zu hindern. Pretzell hatte sich ähnlich geäußert. Von Storch bezeichnete ihre Äußerungen später als Fehler.
Wo die AfD derzeit politisch zu verorten ist, lässt sich auch an den Ergebnissen einer aktuellen Mitgliederbefragung der Partei ablesen. Diese zeigen: Ginge es nach der AfD, dann würden viele Reformen der vergangenen Jahrzehnte rückgängig gemacht. Die Mehrheit der Umfrageteilnehmer befürwortet demnach eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. Mehr als 95 Prozent sprachen sich dafür aus, den „Doppelpass“ für eingebürgerte Deutsche abzuschaffen. Das Asylrecht solle eingeschränkt, die Zuwanderung insgesamt reduziert werden.
Mehr als zwei Drittel der AfD-Mitglieder schlossen sich dem alten Slogan „Freie Fahrt für freie Bürger“ an. Konkret fordern sie: „Kein Tempolimit auf Autobahnen, 100 km/h auf Landstraßen und 50 km/h innerorts auf allen Durchgangsstraßen, jederzeit.“
Auch in der Familienpolitik schaut die AfD in die Vergangenheit. Drei Viertel der Teilnehmer der internen Umfrage wollen, dass im Scheidungsverfahren künftig wieder die „Schuldfrage“ geklärt wird. Der aktuelle Textentwurf dazu lautet: „Schwerwiegendes Fehlverhalten, welches sich gegen die eheliche Solidarität richtet, muss bei den Scheidungsfolgen berücksichtigt werden.“ Die AfD-Mitglieder sollen Ende April auf einem Mitgliederparteitag über das Programm abstimmen.