Berlin. AKK und Andrea Nahles - Kennenlernen im Großkonflikt
Berlin · Die SPD-Vorsitzende Nahles und die neue CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer müssen sich in dieser Woche über das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche einigen.
Bei Friedrich Merz wäre das Feindbild klar gewesen, bei Annegret Kramp-Karrenbauer aber wissen die Sozialdemokraten nicht so recht. Für sie ist die neue CDU-Chefin noch wenig greifbar, zumal „AKK“ und SPD-Chefin Andrea Nahles bisher auch persönlich kaum miteinander zu tun hatten. Einen ersten Test, wie das künftige Verhältnis sein wird, gibt es in dieser Woche: Beim Streit um das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche.
Kramp-Karrenbauer redete bei „Anne Will“ kompliziert um den heißen Brei herum, offenbar um den Konflikt nicht zuzuspitzen. Erst auf Drängen der Moderatorin nannte sie ihre persönliche Position: „Das Werbeverbot soll und darf nicht abgeschafft werden.“ Die CDU-Chefin ist Katholikin und denkt schon lange so. Die SPD aber will genau das, die Streichung des Paragrafen 219a.
Beide Seiten stehen unter enormem Druck. Kramp-Karrenbauer muss jetzt auch konservatives Profil zeigen, um ihre innerparteilichen Kritiker zu beruhigen. Und Nahles hatte im März mit Rücksicht auf die Union einen Antrag zur Änderung des Paragrafen zurückgezogen und ihrer Partei zugesagt, bis zum Herbst eine Lösung mit der Union zu finden. Die Zeit ist abgelaufen.
Signale des Einlenkens aus Reihen der SPD
Die Jusos beäugen die Parteichefin misstrauisch; sie wollen sowieso ein Ende der großen Koalition. Und einzelne SPD-Abgeordnete drängen darauf, die Frage im Bundestag zur Gewissensentscheidung zu erklären, also ohne Fraktionszwang abzustimmen. Das lehnt die Union ab, denn dann würden sich SPD, Grüne, Linke und FDP durchsetzen. Damit wird das Thema zur Koalitionsfrage.
Derzeit sucht eine Gruppe von Ministern nach einer Kompromissformel. Falls sie sich nicht einigt, soll am Mittwochabend eine Sitzung des Koalitionsausschusses stattfinden, erstmals mit Kramp-Karrenbauer. Allerdings gibt es auch aus der SPD inzwischen Signale des Einlenkens. Der Abgeordnete Timon Gremmels formulierte gegenüber unserer Zeitung seine Mindestbedingung: Es müsse „rechtssicher“ klargestellt werden, dass Frauenärzte nicht mehr von Lebensschützern verklagt werden können, wenn sie darauf hinweisen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.
Gremmels hatte in der Fraktion zusammen mit zwölf weiteren Abgeordneten noch für die komplette Abschaffung des Paragrafen 219a geworben. Auch SPD-Vize Ralf Stegner nahm Härte aus der Debatte. „Klar ist: Das Gesetz kann nicht so bleiben, wie es ist“, nannte er auf Anfrage nun als Ziel. Nicht mehr die Abschaffung.
Grundsätzlich ist das Leben für die SPD durch die Wahl Kramp-Karrenbauers nicht leichter geworden. Unsicher ist man sich vor allem, wie sich die neue CDU-Chefin angesichts des Frusts im Merz-Lager verhalten wird. Die Unruhe in der Union sei größer als vorher gedacht, hieß es bei den Sozialdemokraten.
Nahles sagte am Montag: „Das kann natürlich auch zur Belastungsprobe bei Einzelfragen dann auch in der Koalition werden.“ Sie nannte als Beispiel die Verteidigungspolitik, weil die CDU auf dem Parteitag beschlossen hatte, die Ausgaben dafür weiter zu erhöhen.
Stegner warnte gegenüber unserer Zeitung vor der Einschätzung, dass mit Merz als CDU-Chef für die SPD die Lage besser gewesen wäre. Alt-Kanzler Gerhard Schröder hatte sich in diese Richtung geäußert. „Wir sind gut beraten, nicht darauf zu gucken, wer auf der anderen Seite Vorsitzender ist, sondern unsere eigenen Themen zu klären“, sagte Stegner. Dazu will die Partei am Freitag bei einer Vorstandsklausur einen nächsten Schritt gehen. Die inhaltliche Erneuerung soll weiter vorangetrieben werden, unter anderem bei Hartz IV; Entscheidungen fallen aber erst Anfang Februar bei der Jahresauftaktklausur.