Analyse: Staatstrojaner belauscht Drogendealer beim Sex
Datenschützer Peter Schaar hat die Spionagesoftware von Amts wegen geprüft — und ihr ein miserables Zeugnis ausgestellt.
Düsseldorf. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, kritisiert massiv den Einsatz sogenannter Staatstrojaner bei Sicherheitsbehörden des Bundes. Erstmalig hatte der Chaos Computer Club (CCC) im vergangenen Oktober auf den Einsatz dieser Spionageprogramme hingewiesen. Jetzt befand Schaar: Es gebe für den Einsatz der Spionagesoftware keine ausreichende Rechtsgrundlage, es würden Datenschutzvorschriften verletzt, und es werde insbesondere der Kernbereich der Persönlichkeit nicht ausreichend geschützt.
Das ist die Quintessenz eines geheimen Sonderberichts des Datenschutzbeauftragten mit Datum vom 31. Januar, der unserer Zeitung vorliegt. Das insgesamt 66 Seiten umfassende Dokument stellt den Ermittlungsbehörden ein miserables Zeugnis aus, bescheinigt ihnen dilettantisches Vorgehen und Gesetzesverstöße.
So stellt Schaar fest, dass praktisch alle Bundesbehörden sich voll und ganz dem Trojaner-Hersteller DigiTask, einem Privatunternehmen, anvertraut hatten. Dabei kannten die Behörden insbesondere den sogenannten Quellcode der von DigiTask entworfenen Software nicht. Somit hatten sie keine Kontrollmöglichkeit darüber, wie das Programm exakt funktioniert und welche Ergebnisse es letztlich abliefert — an wen auch immer. Genau dies hatte auch der CCC bei seiner Analyse im Oktober bereits bemängelt.
Zumindest in einem Überwachungsfall fand Datenschützer Schaar auch Daten aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung in den Akten. Dabei hatte ein mutmaßlicher Drogendealer von seinem „angezapften“ Laptop mithilfe des Programms Skype mit seiner Freundin in Südamerika telefoniert. „Kurzes erotisches Gespräch“ heißt es in den Akten, „Liebesbeteuerungen“, „danach Sexgespräche“ — und sekundengenau mitprotokolliert: „Ab 15:22:20 bis 16:01:00 finden offensichtlich Selbstbefriedigungshandlungen statt.“
Diese eindeutig zum privaten Kernbereich zählenden Aufzeichnungen seien jedoch nicht gelöscht worden, stellt Schaar fest — weil das Spionageprogramm keine Möglichkeiten zu einer gezielten Löschung hat. Schaar in seinem Bericht: „Damit wurde der vom Bundesverfassungsgericht (. . .) entwickelte Schutz zum Kernbereich privater Lebensgestaltung (. . . ) missachtet.“