Zustimmung und Kritik für Gauck - Ärger in Koalition hält an
Berlin (dpa) - Die FDP will nach dem Erfolg bei der Nominierung von Joachim Gauck für die Wahl des Bundespräsidenten selbstbewusster gegenüber der Union auftreten. Dort hält der Ärger über den Koalitionspartner an.
Unterdessen sehen fast 70 Prozent der Deutschen den früheren Bürgerrechtler als gute Wahl. Aber es gibt auch Kritik an Gauck, etwa zu seiner Haltung gegenüber der kapitalismuskritischen Occupy-Bewegung. Und auch über sein Privatleben wird diskutiert.
FDP-Parteichef Philipp Rösler sagte dem „Straubinger Tagblatt“ und der „Landshuter Zeitung“ (Mittwoch): „Wir haben erfahren, dass wir mit unseren eigenen Erfolgen lauter hausieren gehen müssen.“ Und in Anspielung darauf, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf Druck der FDP den von SPD und Grünen favorisierten Gauck als künftigen Präsidenten akzeptieren musste, sagte er: „Meine Art von Kämpfernatur äußert sich eher in Zähigkeit und Ausdauer. Wie man ja aktuell gesehen hat.“ Der 72-jährige Gauck soll am 18. März von der Bundesversammlung zum elften Bundespräsidenten gewählt werden.
In Unionskreisen hieß es am Dienstag, zwar gebe es große Verärgerung über die FDP. Das heiße aber nicht, dass die Union nicht weiterhin professionell mit den Liberalen zusammenarbeiten wolle und werde. „Ich finde es beachtlich, dass sich die Liberalen mit SPD und Grünen ins Bett legen“, sagte Fraktionsvize Michael Meister dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Nach Einschätzung von Südwest-CDU-Chef Thomas Strobl haben die Liberalen vollkommen überzogen. „Eine Wiederholung eines solchen Verhaltens wird es in der Koalition mit Sicherheit nicht geben“, sagte er den „Stuttgarter Nachrichten“.
Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) rief die Union im „Mannheimer Morgen“ zur Mäßigung auf. „Es gibt keinen Grund für persönliche Rachegefühle.“ Gauck sei einfach der beste Mann. In der FDP sieht man die Koalition trotz der Niederlage Merkels nicht als beschädigt an. Der FDP-Abgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen warnte die Union im „Hamburger Abendblatt“: „Es wäre falsch, jetzt beleidigt an einer Dolchstoßlegende zu stricken.“ Dies - und nicht das Agieren der Liberalen - würde den Koalitionsfrieden gefährden.
Anhänger der Linken und der Piratenpartei haben den Kabarettisten Georg Schramm als Gegenkandidaten für Gauck ins Gespräch gebracht. Der frühere Linke-Vorsitzende Oskar Lafontaine sprach in der „Saarbrücker Zeitung“ von einem „interessanten Vorschlag“. Aus der Parteispitze hieß es aber am Dienstag, die Spekulationen über eine Nominierung des 62-jährigen Kabarettisten seien ohne jede Grundlage. Die Linke will am Donnerstag entscheiden, ob sie einen eigenen Kandidaten ins Rennen schickt.
Gauck kann derweil auf breite Unterstützung der Bürger bauen. Seine geplante Wahl zum Staatsoberhaupt finden nach Umfragen des ZDF-„Politbarometers“ und des Magazins „Stern“ 69 Prozent der Befragten gut. 65 Prozent glauben laut Politbarometer nicht, dass Merkel durch die ihr von der FDP zugefügte Schlappe geschwächt ist.
Gauck findet bei Anhängern aller Parteien mit Ausnahme der Linken große Unterstützung. Am stärksten fällt diese bei Unterstützern der Grünen (87 Prozent) und der SPD (82) aus, aber auch 71 Prozent der CDU/CSU-Anhänger und 66 Prozent der Anhänger der Piraten sehen in Gauck eine gute Wahl. Bei den Anhängern der Linkspartei überwiegt mit 58 Prozent die Ablehnung. Wegen einer zu geringen Zahl der Befragten mit FDP-Präferenz gab es bei den Liberalen dazu keine Ergebnisse.
Aber auch Kritik am künftigen Präsidenten wurde laut. Ihm war schon am Vortag vorgeworfen worden, sich etwa nicht deutlich von den Thesen des Integrationskritikers Thilo Sarrazin distanziert zu haben. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele sagte dem TV-Sender Phoenix: „Mich stört, dass Herr Gauck eine Reihe von Äußerungen in der Öffentlichkeit getan hat, die mich doch sehr geärgert und zum Teil sogar erschreckt haben.“
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte bei „Spiegel online“, Gauck solle auf seine Kritiker etwa aus dem Lager der Occupy-Bewegung zugehen. „Beispielsweise zu Occupy sind wir Grünen ganz anderer Auffassung.“ Gauck sei aber ein Mann, der sich mit Argumenten auseinandersetze. „Gauck ist ja nicht Präsident aller, um allen nach dem Mund zu reden.“
Nach Gaucks Nominierung ist auch eine Debatte darüber entbrannt, ob er sich von seiner Frau scheiden lassen und seine langjährige Lebensgefährtin heiraten soll. „Es dürfte wohl im Interesse des Herrn Gauck selbst sein, seine persönlichen Verhältnisse so schnell als möglich zu ordnen, damit insoweit keine Angriffsfläche geboten wird“, sagte der CSU-Familienpolitiker Norbert Geis der „Passauer Neuen Presse“.
Gauck ist seit zwölf Jahren mit der Nürnberger Journalistin Daniela Schadt liiert, die ihn im Falle seiner Wahl zum Bundespräsidenten am 18. März als First Lady ins Schloss Bellevue begleiten würde. Linke-Chef Klaus Ernst nannte die Diskussion völlig überflüssig. Im Kurznachrichtendienst Twitter schrieb er am Dienstag: „Was für eine mittelalterliche Debatte! Es gibt viel, was gegen Gauck als Präsident spricht, seine Lebensverhältnisse gehören nicht dazu.“
Ungeachtet des Rücktritts von Bundespräsident Christian Wulff will die Niedersachsen-SPD mit einer Verfassungsklage Licht in das umstrittene Promi-Treffen „Nord-Süd-Dialog“ bringen. Ex-Innenminister Heiner Bartling (SPD) reichte die Klage der SPD-Landtagsfraktion am Dienstag beim Staatsgerichtshof in Bückeburg ein.