Angriff auf "Zeit"-Journalisten bei Wahlkampfauftritt von Cavusoglu?
Bundesregierung bemüht sich um Deeskalation im Streit mit Ankara. Journalist der Wochenzeitung "Die Zeit" soll nach der Veranstaltung mit Cavusoglu in Hamburg tätlich angegriffen worden sein.
Berlin. Im Streit um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland bemüht sich die Bundesregierung um Deeskalation. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach sich am Mittwoch dafür aus, im Dialog zu bleiben. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan bekräftigte seinen Willen, vor dem Verfassungsreferendum Mitte April im Ausland lebende Türken zu besuchen.
Keine Seite sei interessiert daran, "die deutsch-türkischen Beziehungen nachhaltig zu beschädigen", sagte Gabriel nach einem Treffen mit seinem Kollegen Mevlüt Cavusoglu in Berlin. Zugleich verbat sich Gabriel Nazi-Vergleiche. Erdogan hatte Deutschland nach der Absage von Wahlkampfauftritten türkischer Minister Nazi-Methoden vorgeworfen.
Cavusoglu hatte den Vergleich aufgegriffen, nachdem am Montag sein Redeauftritt in Hamburg zunächst abgesagt worden war. Als er am Dienstagabend dann doch auftreten konnte, wiederholte er den Vergleich zwar nicht. Er sagte aber, türkische Staatsbürger in Deutschland würden "systematisch unterdrückt".
Gabriel wertete das Gespräch mit Cavusoglu als "gut", aber auch als "hart und kontrovers in der Sache". Es sei über alle schwierigen Themen gesprochen worden. Dazu gehörten die Fragen im Zusammenhang mit dem türkischen Verfassungsreferendum und Auftritten türkischer Politiker ebenso wie die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel in der Türkei.
Erdogan sagte dem Staatssender TRT News am Mittwochabend, er wünsche sich, mit im Ausland lebenden Türken zusammenzutreffen. Der Staatschef kritisierte zugleich, dass türkische Politiker in Deutschland daran gehindert worden seien, Wahlkampf für die anstehende Volksabstimmung am 16. April zu machen.
Unterdessen wurde auch eine für kommendes Wochenende vorgesehene Veranstaltung mit Außenminister Cavusoglu in der niederländischen Hafenstadt Rotterdam abgesagt. Bürgermeister Ahmed Aboutaleb teilte in einem Schreiben an den Stadtrat mit, der Eigentümer des Veranstaltungsorts stelle diesen nicht länger zur Verfügung.
Der Schweizer Kanton Zürich will einen für Sonntag geplanten Besuch Cavusoglus in Zürich ebenfalls verhindern. Die Sicherheitsdirektion des Kantons richtete eine entsprechende Aufforderung an die Regierung in Bern. Die Behörde verwies auf "extrem kontroverse Diskussionen" über den Besuch türkischer Regierungsvertreter in Deutschland. Wenn Cavusoglu in die Schweiz komme, sei mit "massiven Demonstrationen" zu rechnen. Selbst mit einem großen Polizeiaufgebot könnten die Behörden "nicht garantieren, dass die Veranstaltung ruhig und ohne Zwischenfälle verläuft".
Unterdessen berichtete ein Journalist der Wochenzeitung "Die Zeit", nach der Veranstaltung mit Cavusoglu in Hamburg sei er tätlich angegriffen worden. Im Garten der Residenz des türkischen Konsulats sei ihm die Brille vom Kopf geschlagen worden, schilderte der Redakteur Sebastian Kempkens am Mittwoch auf zeit.de.
Während der Veranstaltung hätten die Teilnehmer Erdogan hochleben lassen. Manche hätten mit der rechten hochgereckten Hand den Wolfsgruß vollführt, das Zeichen türkischer Ultranationalisten. Grund für den Angriff war offenbar, dass Kempkens ein Blatt hochhielt, auf dem er Freiheit für Deniz Yücel forderte. Zu den möglichen Tätern schrieb Kempkens nichts.
Das deutsch-türkische Verhältnis ist seit längerem sehr angespannt. Dazu trugen die Verhaftung Yücels ebenso bei wie das harte Vorgehen der türkischen Regierung gegen politische Gegner und nicht abgesprochene Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsmitglieder. Diese werben in Deutschland für die Verfassungsänderung, die Erdogan mehr Macht geben soll. Auf türkischer Seite gab es Verärgerung, weil deutsche Kommunalbehörden einige dieser Veranstaltungen untersagten.
Zum Fall Yücel sagte Gabriel, eine unbefristete Untersuchungshaft für den Journalisten sei "falsch und unangemessen". "Wir setzen uns mit Nachdruck für seine Freilassung ein", bekräftigte der Außenminister. Dies gelte auch für andere in der Türkei inhaftierte Journalisten. (AFP)