Gröning-Prozess BGH bestätigt Urteil wegen Beihilfe zum NS-Massenmord
Karlsruhe (dpa) - Der „Buchhalter von Auschwitz“, Oskar Gröning, trägt Schuld an den massenhaften Morden in dem NS-Konzentrations- und Vernichtungslager - das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in letzter Instanz entschieden.
Er bestätigte damit das Urteil wegen Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen gegen den 95-Jährigen. Dieser habe als junger Mann „durch seine allgemeine Dienstausübung in Auschwitz bereits den Führungspersonen in Staat und SS Hilfe“ geleistet, heißt es in der Entscheidung der Karlsruher Richter. Nebenkläger begrüßten dies als „wichtige Korrektur der früheren Rechtsprechung“. (Az. 3 StR 49/16)
Gröning war im Juli 2015 in einem der letzten großen Auschwitz-Prozesse vom Landgericht Lüneburg zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte eingeräumt, das Geld der verschleppten Juden verwaltet und die Ankunft der Transporte an der sogenannten Rampe mit beaufsichtigt zu haben. Das Gericht wertete das als Beitrag zum Funktionieren der nationalsozialistischen Tötungsmaschinerie.
Damit wurde Gröning sieben Jahrzehnte nach dem Holocaust wegen Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen verurteilt, ohne dass er an einzelnen Mordtaten direkt beteiligt war. Revision dagegen eingelegt hatten Gröning selbst sowie einige der mehr als 70 Nebenkläger. Sie hatten erreichen wollen, dass Gröning als Mittäter bestraft wird.
Mit der Bestätigung des Schuldspruchs durch den BGH ist das Urteil rechtskräftig. Ob Gröning tatsächlich ins Gefängnis muss, hängt von seiner Gesundheit ab. Sein Verteidiger Hans Holtermann sagte, er prüfe auch die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde.
Die Verurteilung stützt sich auf den Zeitraum der „Ungarn-Aktion“ 1944, während der Gröning nachweisbar mindestens drei Mal an der „Rampe“ Dienst tat. Das Lüneburger Gericht hatte angenommen, dass während dieser Deportation ungaricher Juden mindestens 300 000 Menschen in den Gaskammern von Auschwitz ermordet wurden.
Zentral ist, dass die Karlsruher Richter eine Schuld Grönings ausdrücklich auch für die Opfer bejahen, „bei deren Eintreffen er keinen Rampendienst versah“. Voraussetzung der „Ungarn-Aktion“ sei „das Bestehen eines organisierten Tötungsapparates“ gewesen. Dazu habe auch das diensttuende Personal gehört.
Mit dem BGH-Beschluss werde endlich anerkannt, dass auch die „funktionelle Beihilfe“ von SS-Leuten im Lager Massenmord gewesen sei, erklärten die drei Nebenklägervertreter Thomas Walther, Cornelius Nestler und Manuel Mayer. Das sei 1965 in den Frankfurter Auschwitzprozessen noch entschieden verneint worden - mit der Folge, dass jahrzehntelang auf jegliche Strafverfolgung verzichtet worden sei. Erst das Urteil gegen John Demjanjuk 2011 sei die Wende gewesen.
Der frühere Aufseher im Vernichtungslager Sobibor wurde wegen Beihilfe zum Mord an 28 000 Juden zu fünf Jahren Haft verurteilt. Das Urteil wurde aber nie rechtskräftig, weil Demjanjuk vorher in einem Pflegeheim starb. Die Nazijäger von der Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen nahmen den Münchner Prozess aber zum Anlass, ihre Ermittlungen auch in anderen Fällen voranzutreiben.
Der Leiter des Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, Efraim Zuroff, forderte Deutschland auf, weiter NS-Verbrecher zur Rechenschaft zu ziehen. „Die Zeit verringert nicht die Schuld dieser Mörder.“ Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erklärte, für Gerechtigkeit sei es nie zu spät. „Auch bei der juristischen Aufarbeitung von Auschwitz darf es keinen Schlussstrich geben.“