Bürger müssen für Windkraft-Probleme Milliarden zahlen
Berlin (dpa) - Die Verbraucher müssen sich beim Strompreis auf Zusatzkosten durch fehlende Netze für Windparks einstellen. Union und FDP wollen am Donnerstag im Bundestag beschließen, dass die Bürger höhere Lasten als bisher bekannt für Anschlussprobleme in der Nordsee tragen sollen.
Die Entschädigungszahlungen der Netzbetreiber sollen auf 110 Millionen Euro jährlich gedeckelt werden - der Rest wird auf die Strompreise abgewälzt. Das geht aus einem überarbeiteten Gesetzentwurf vor, der der Deutschen-Presse-Agentur vorliegt.
Bisher war nur eine Begrenzung auf 100 Millionen Euro pro Schaden geplant - aber keine jährliche Deckelung. Für die Bürger werden durch die Offshore-Haftungsumlage allein jetzt schon Belastungen von rund einer Milliarde Euro erwartet, in den Folgejahren dürften die Kosten wegen der technischen Probleme weiter steigen. Schon jetzt ist klar, dass die Strompreise im Januar im Schnitt um zwölf Prozent steigen. Zusätzliche, wenn auch weit geringere Kosten entstehen durch eine Verdreifachung der Zwangsabschaltung von Windparks an Land.
Die Entschädigungen für diese gerade bei Starkwind verfügten Maßnahmen dürften sich für 2011 auf 18 bis 35 Millionen Euro belaufen. Das Beratungsunternehmen Ecofys hat für den Bundesverband Windenergie ermittelt, dass 2011 der Rekordwert von bis zu 407 Gigawattstunden (GWh) Windstrom verloren ging, fast drei Mal so viel 2010. Zu ähnlichen Zahlen kommt auch die Bundesnetzagentur.
Da die Betreiber für solche Drosselungen entschädigt werden müssen und dies auf die Strompreise abgewälzt wird, entstehen Jahr für Jahr steigende Millionenbelastungen durch gar nicht eingespeisten Strom. Schwerpunkte der Abregelungen waren Nord- und Ostdeutschland. Mit dem nicht eingespeisten Strom hätten etwa 116 000 Haushalte ein Jahr lang versorgt werden können. Ein Sprecher des Windenergieverbands betonte: „Das zeigt, wie dringend ein zügiger Netzausbau ist.“ Man habe bereits viele Vorschläge für eine Beschleunigung gemacht.
Nachdem am Montag die Pläne für den Bau von 2800 Kilometer an neuen Stromautobahnen von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) vorgestellt worden waren, zeigen die Abschaltungen an Land auch die zunehmenden Engpässe im deutschen Verteilnetz. Hier sind laut einer noch unveröffentlichten Studie der Deutschen Energie-Agentur Ausgaben von 27,5 bis 42,5 Milliarden Euro für den Ausbau notwendig. Demnach könnten bis 2030 zwischen 159 200 und 214 000 Kilometer an neuen Nieder-, Mittel- und Hochspannungsnetzen nötig sein, um den gerade in ländlichen Gebieten produzierten Wind- oder Solarstrom zu verteilen.
Bei den Zusatzkosten für See-Windparks zweifeln Experten, ob die geplante Obergrenze der Bürger-Umlage von 0,25 Cent je Kilowattstunde und damit von knapp zehn Euro pro Haushalt und Jahr noch einzuhalten ist. Bisher war nach einer Intervention von Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) eine geringere Abwälzung auf die Strompreise geplant, dies wurde aber von den Fraktionen nun kassiert.
Das Unternehmen Tennet hat bisher erhebliche Probleme, die Anschlüsse hinzubekommen - durch eine geringere Belastung bei der Übernahme von Schadenersatzkosten soll scheinbar der Ausbau beschleunigt werden. Der Grünen-Energieexperte Oliver Krischer kritisierte: „Beim Ausbau der Offshore-Windenergie geht es drunter und drüber: Dort wo Windparks auf hoher See im Bau sind fehlt zum Teil der Netzanschluss und dort wo Netzanschlüsse vorhanden sind, kommt der Bau der Windparks nicht voran.“ SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber sprach von einer „dilettantischen Politik“. Angesichts der Tennet-Probleme brauche es eine Netz-AG mit staatlicher Beteiligung.
Um das Netz in Deutschland kurzfristig zu entlasten, beschloss das Kabinett am Mittwoch eine Regelung, mit der Unternehmen bei einem Stromverzicht „auf Zuruf“ Geld verdienen können. Bundesweit sollen die Netzbetreiber 3000 Megawatt (MW) pro Monat an Abschaltleistung ausschreiben. Unternehmen sollen monatlich 1667 Euro pro MW erhalten, wenn diese Leistung binnen maximal 15 Minuten vom Netz genommen werden darf. Laut Wirtschaftsministerium werden die Zusatzkosten hierfür pro Haushalt etwa ein bis zwei Euro jährlich ausmachen.