Energie Chef der Bundesnetzagentur: Russland will Gaspreise treiben
Berlin/Bonn · Sollten Haushalte, die sparsam mit Gas umgehen, Prämien bekommen? Die Lage ist aus Sicht der Bundesnetzagentur weiter angespannt. Ihr Chef sagt: Russland will die Preise treiben.
Als Anreiz zum Energiesparen angesichts stark gedrosselter Gaslieferungen aus Russland haben Politiker und Ökonomen Prämien für Verbraucher ins Spiel gebracht.
Diese sollten gelten für Haushalte, die sparsam mit Gas umgehen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sprach sich gegen eine Pflicht zum Energiesparen aus. Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sieht in der Drosselung der Gaslieferungen eine klare Strategie Russlands.
Müller sagte am Samstag der Deutschen Presse-Agentur: „Russland liefert nun seit Tagen deutlich weniger Gas nach Deutschland und nach Europa. Das soll uns verunsichern und die Preise treiben. Deshalb organisiert die Bundesregierung zusätzliches Flüssiggas und das Gasspeichergesetz wirkt. Gas einsparen und einspeichern für den Winter ist jetzt das Gebot der Stunde.“
Drosselung der Gaslieferungen
Der russische Staatskonzern Gazprom hatte den Gasfluss durch die Ostseepipeline Nord Stream in den vergangenen Tagen verringert. Begründet wurde dies mit Verzögerungen bei der Reparatur von Verdichterturbinen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte die Drosselung als politisch motiviert eingestuft.
Russland führt einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Bundesregierung ist bemüht, die Abhängigkeit Deutschlands von fossilen Energien aus Russland so schnell wie möglich zu verringern.
Die Bundesnetzagentur bezeichnete am Samstag die Lage der Gasversorgung in Deutschland erneut als „angespannt“. Die Gasversorgung sei im Moment aber stabil, hieß es in einem Bericht. Die Versorgungssicherheit sei derzeit weiter gewährleistet.
Am Freitag hatte die Netzagentur erstmals seit Ende März die Lage zur Gasversorgung in ihrem täglichen Bericht als „angespannt“ bezeichnet. Zuvor hatte der russische Energiekonzern Gazprom die Gasflüsse durch die Pipeline Nord Stream 1 auf 40 Prozent der Maximalleistung gedrosselt.
Die von den ausbleibenden Lieferungen betroffenen Unternehmen könnten diese Mengen zurzeit anderweitig am Markt beschaffen, so die Bundesnetzagentur. Die Großhandelspreise seien in Folge der Lieferreduzierung spürbar gestiegen und hätten sich zuletzt auf höherem Niveau eingependelt. Es könne weiterhin Gas eingespeichert werden. Die aktuellen Füllstände der Speicher in Deutschland liegen demnach bei rund 56,7 Prozent.
Prämien für Haushalte
Die Debatte über Folgen der gedrosselten Lieferungen durch Russland hält an. Die „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm sprach sich für Prämien für Hauhalte aus, die sparsam mit Gas umgehen. „Das könnte man durch den Vergleich der Gasrechnungen relativ einfach überprüfen, und die Leute würden sich jetzt schon - entsprechend ihrer Möglichkeiten - auf den Winter vorbereiten können“, sagte das Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der „Rheinischen Post“.
Das Potenzial sei groß, man müsse aber frühzeitig kommunizieren, dass es sich lohne, sagte die Ökonomin. „Bevor man zu gesetzlichen Einsparmaßnahmen greift, wie von Wirtschaftsminister Robert Habeck ins Spiel gebracht, sollte man die Potenziale heben, die durch Anreize möglich sind“, sagte Grimm. Ohne drastische Energieeinsparungen würden die geringeren Gaslieferungen deutliche wirtschaftliche Spuren in Deutschland hinterlassen.
Wirtschaftsminister Habeck schließt als Konsequenz aus gesenkten Gaslieferungen durch Russland auch gesetzliche Maßnahmen zu Energie-Einsparungen nicht aus.
Die energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Nina Scheer, ist für einen Energiespar-Rabatt für Privathaushalte. „Wir alle können beim Energiesparen einen großen Beitrag leisten. Energiesparen sollte deswegen belohnt werden“, sagte Scheer der „Rheinischen Post“. Wer es schaffe, beim Gasverbrauch einzusparen, solle direkt entlastet werden. Je höher die Einsparung beim Verbrauch, desto höher der Rabatt.
Gesicherte Energieversorgung gewährleisten
FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte der dpa, es sei die oberste Aufgabe der Bundesregierung, eine gesicherte Energieversorgung zu gewährleisten. Es dürfe auf keinen Fall zu Rationierungen kommen. Er halte nichts von einer Pflicht zum Energiesparen. „Aber der sorgsame Umgang mit knappen Ressourcen, den die meisten Bürger bereits jetzt eigenverantwortlich entwickelt haben, ist natürlich immer sinnvoll.“
Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Yasmin Fahimi, sagte der dpa: „Mit dem schrittweisen Gaslieferstopp versucht Putin uns in die Enge zu treiben. Die Aussicht auf einen unbesorgt warmen Winter schwindet. In dieser Notsituation werden wir alle Einschnitte spüren. Soziale Härten müssen bei allen gesetzlichen Verpflichtungen vermieden werden.“
Industriepräsident Siegfried Russwurm rief dazu auf, vorübergehend wieder stärker auf Kohleenergie zu setzen. „Mein Appell ist: Jetzt schon die Gasverstromung stoppen und sofort die Kohlekraftwerke aus der Reserve holen“, sagte Russwurm den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Es gehe um kurzfristige Überbrückungsmaßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung.
Das Bundeskabinett hatte einen Gesetzentwurf beschlossen, damit Kohlekraftwerke im Falle einer Gasmangellage kurzfristig in den Markt zurückkehren können, um den Gasverbrauch in der Stromerzeugung deutlich verringern zu können.
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