Kompromisssignale aus Bayern CSU will große Koalition - aber hart in der Sache sondieren
Seeon/Berlin (dpa) - Nach den Wortgefechten der vergangenen Tage zeigen sich CSU und SPD kurz vor Beginn der Sondierungen zwar hart in der Sache, aber kompromissorientiert im Ton.
„Ich werde persönlich alles dafür tun, dass diese Koalition zustande kommt“, bekräftigte CSU-Chef Horst Seehofer vor Beginn der traditionellen Winterklausur der CSU-Landesgruppe im oberbayerischen Kloster Seeon. „Dieses Projekt kann gelingen, wenn der potenzielle Koalitionspartner in der Sache nicht überzieht.“
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt argumentierte jedoch schärfer: „Wir wollen diese Koalition mit der SPD, aber wir wollen sie mit einer SPD, die die Modernisierung unseres Landes, die Sicherheit und die Wachstum in diesem Land auch buchstabieren kann.“
Die SPD dürfe keine „Themen aus der alten sozialistischen Mottenkiste“ herausziehen. „Deutschland ist keine linke Republik“, sagte Dobrindt. Es gehe um den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft und die Überwindung der Spaltung. Dabei spielten Fragen der Migration eine „herausragende Rolle“.
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Max Straubinger hält das Zustandekommen einer erneuten großen Koalition trotz allem für wahrscheinlich. Er sagte der dpa am Rande der Klausurtagung: „ Wir haben ja vier Jahre erfolgreich gearbeitet, das sollte man nicht ausblenden.“ Bei dem entsprechenden politischen Willen sei es möglich, eine gute Grundlage dafür zu erzielen.
SPD-Vize Ralf Stegner reagierte indessen recht zurückhaltend auf Dobrindts Ermahnungen. Eine „20-Prozent-Partei“ könne nicht 100 Prozent ihrer Ziele umsetzen, sagte Dobrindt. „Ehrlich gesagt ist uns das schnurz“, entgegnete Stegner im Sender N24. „Wir kennen das von der CSU. Da wird das eigene Lederhosen-Publikum bespaßt mit kräftigen, verbal-radikalen Interviews.“ Das beeindrucke niemanden. Ohne die SPD laufe nichts. Die Sozialdemokraten gingen seriös, professionell und nüchtern an die Dinge heran.
Seehofer unterstrich, Deutschland brauche eine stabile Regierung. Bei den Sondierungen müssten CDU, CSU und SPD eine Antwort finden auf das Ergebnis der Bundestagswahl im vergangenen September. Da hatten alle drei Parteien massiv Stimmen verloren. „Ein Weiter so geht nicht“, sagte der bayerische Ministerpräsident.
Die Politik müsse der Bevölkerung vermitteln: „Wir haben verstanden.“ Es gehe um soziale und ökologische Fragen, aber auch um Fragen der Sicherheit sowie der Zuwanderung. Je erfolgreicher die Sondierungen mit der SPD verliefen, desto besser sei dies für die Landtagswahl im Herbst in Bayern, betonte Seehofer. Der CSU droht der Verlust der absoluten Mehrheit.
Union und SPD wollen ab diesem Sonntag mit einwöchigen Sondierungen beginnen und Möglichkeiten einer Regierungsbildung ausloten. Die Mitglieder des SPD-Teams kamen am Donnerstag zusammen, um die Gespräche vorzubereiten. Die Sozialdemokraten wollen erst nach den Sondierungen entscheiden, ob sie eine erneute große Koalition anstreben oder andere Formen der Zusammenarbeit mit einer Regierung. Sollte die Parteispitze für Koalitionsverhandlungen plädieren, müsste dem ein Parteitag am 21. Januar zustimmen.
Die Spitzen von CDU, CSU und SPD hatten am Mittwochabend in Berlin den Fahrplan für die Sondierungen abgesteckt und hinterher Zuversicht verbreitet. Die Sondierungen sollen am 11. oder 12. Januar zu Ende gehen. Zum Auftakt der Gespräche am Sonntag sind Statements der drei Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD, Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz, geplant. Zum Abschluss soll es eine gemeinsame Erklärung der drei Parteien geben.
Die CSU-Landesgruppe im Bundestag bekräftigte indessen auf ihrer bis Samstag dauernden Klausur zentrale Forderungen wie die einer Obergrenze bei der Migration sowie einer weiteren Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus. In den Papiere, die die Landesgruppe beschließen will, ist auch die umstrittene Forderung enthalten, bei jungen Flüchtlingen „standardmäßig durch geeignete Untersuchungen“ das Alter feststellen zu lassen.
Eine weitergehende Vertiefung der EU lehnt die CSU ab und wendet sich strikt gegen die Idee der „Vereinigten Staaten von Europa“. SPD-Chef Schulz hatte dieses Ziel für 2025 formuliert. Die CSU fordert außerdem den sofortigen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.