Berlin. Darum ist „Campact“ jetzt nicht mehr gemeinnützig
Berlin · Die Finanzbehörden treffen die linke Kampagnenplattform ins Herz. Es gibt Rufe nach Reformen – und viel Uneinigkeit.
In einem Punkt ist das Gemeinnützigkeitsrecht ganz präzise: „Schach gilt als Sport“, heißt es in der Liste jener 25 Zwecke, von denen ein Verein wenigstens einen erfüllen muss, um steuerlich begünstigt zu werden. Unklarer ist hingegen, was genau „Förderung des bürgerschaftlichen Engagements“ oder des „demokratischen Staatswesens“ ist. Wegen dieser Grauzone verlor die Kampagnenplattform „Campact“ am Montag ihre Gemeinnützigkeit.
„Campact“ organsiert Demos, Aktionen und Online-Petitionen zu Themen wie Klimaschutz, Tierwohl oder Seenotrettung. Bisher weitgehend finanziert durch steuerlich absetzbare Spenden. Doch das Berliner Finanzamt für Körperschaften befand, dass der Verein überwiegend allgemeinpolitisch tätig sei und etliche seiner Kampagnen mit den gemeinnützigen Zwecken der Abgabenordnung nichts zu tun hätten.
Die Behörde folgt damit einem Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofes vom Frühjahr, der damals in letzter Instanz der globalisierungskritischen Organisation „Attac“ die Gemeinnützigkeit ebenfalls aberkannt hatte. Der Finanzhof definierte den in der Abgabenordnung geforderten Vereinszweck „Förderung des demokratischen Staatswesens“ sehr eng – die Einmischung in tagesaktuelle Fragen gehöre nicht dazu. Das bleibt demnach Parteien vorbehalten – jedenfalls wenn es dafür Steuererleichterungen geben soll. Vereine hingegen müssten „geistige Offenheit“ zeigen. Oder sich den in der Liste genannten konkreten Zielen wie Tierschutz, Heimatpflege oder eben Schach verschreiben.
Weitere linke und ökologische Organisationen bangen
„Campact“ hatte schon geahnt, was kommen würde, und seit März vorläufig keine Spendenbescheinigungen mehr ausgestellt. Nun wird die Organisation wohl sogar Geld zurückzahlen müssen; mit 300 000 Euro Schaden kalkuliert die Organisation. Zudem dürfte das Spendenaufkommen nun einbrechen. Auch weitere linke und ökologische Organisationen bangen, etwa die Deutsche Umwelthilfe, die bundesweit Dieselfahrverbote durchgesetzt hatte. Die CDU hatte auf ihrem letzten Bundesparteitag beschlossen, ihre Gemeinnützigkeit zu überprüfen.
Freilich ist das Ganze nicht nur ein linkes Thema. „Campact“-Geschäftsführer Felix Kolb verwies am Montag darauf, dass es auch im konservativen Lager Organisationen gibt, die formal die Demokratieförderung als Zweck nennen, sich aber in konkrete politische Debatten einmischen. Der Bund der Steuerzahler etwa oder die Stiftung Familienunternehmen. Kolb sieht die Gefahr von Willkür, weil die Entscheidung vom jeweils zuständigen Finanzamt abhängt. „Offenbar wird hier mit Mitteln des Steuerrechts gerade gegen progressive Organisationen vorgegangen“, so der Aktivist.
Dass es Klarstellungs- und Reformbedarf gibt, ist weitgehend Konsens, nicht aber wie. Die Länderfinanzminister konnten sich im Mai nicht einigen. Die Grünen verlangen gemeinnützigen Organisationen politische Äußerungen generell zu erlauben und eine Ausweitung des Zweckkatalogs. Eine Bundesbehörde solle über die Anerkennung entscheiden, nicht mehr die Finanzämter. Demgegenüber sagte die CDU-Finanzpolitikerin Antje Tillmann unserer Zeitung, politische Betätigung könne nur Nebenzweck eines gemeinnützigen Vereins sein. „Das gilt es kritisch regelmäßig zu prüfen“. Die jüngsten Entscheidungen der Finanzgerichte seien eine „vernünftige Abgrenzung“.