Deutsche Gewehre in Libyen: keiner verantwortlich
Berlin (dpa) - Niemand will etwas gewusst haben. In der Affäre um deutsche Sturmgewehre für Gaddafi weisen sowohl die Bundesregierung als auch der Hersteller jede Verantwortung von sich. Aber irgendwie müssen die Waffen ja nach Libyen gekommen sein.
Rüstungsgegner und Oppositionspolitiker fordern von der Bundesregierung Aufklärung über die von libyschen Rebellen erbeuteten deutschen Sturmgewehre. Der Grünen-Bundestagabgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte am Donnerstag, die Bundesregierung müsse insbesondere den Verdacht ausräumen, dass der Bundesnachrichtendienst BND an der Lieferung der Waffen an das alte Regime von Muammar al-Gaddafi beteiligt sei.
Verteidigungsminister Thomas de Maizière sieht keine Anhaltspunkte für Fehler in Deutschland. Auf die Frage, ob sich Deutschland in Sachen Waffenlieferungen an Libyen etwas vorzuwerfen habe, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag im „Morgenmagazin“ der ARD: „Nach allem, was ich weiß, nein.“
Aus dem Bundeswirtschaftsministerium hieß es dazu, die Bundesregierung habe für die Gewehre vom Typ G36 des deutschen Herstellers Heckler & Koch keine Exportgenehmigungen nach Libyen erteilt. Zudem habe man weder dem Re-Export aus anderen Ländern nach Libyen noch dem Export von in Lizenz produzierten Gewehren in das nordafrikanische Land zugestimmt.
Heckler & Koch hatte bereits am Mittwoch mitgeteilt, es habe „zu keinem Zeitpunkt“ Lieferungen des Gewehrs G36 oder anderer Produkte nach Libyen gegeben. „In Libyen aufgetauchte Waffen sind unrechtmäßig über einen Heckler & Koch nicht bekannten Weg beschafft worden.“
Libysche Rebellen hatten diese Waffen nach Augenzeugenberichten beim Sturm auf die Gaddafi-Residenz vergangene Woche in Tripolis in großer Anzahl erbeutet. Angeblich sollen die Waffen bereits seit 2005 von Sicherheitskräften Gaddafis benutzt worden sein. Dies war einem Augenzeugen im Sommer jenes Jahres aufgefallen, wie er den „Stuttgarter Nachrichten“ (Donnerstag) eidesstattlich versicherte.
Ströbele sagte am Donnerstag, die Bundesregierung müsse den Verdacht ausräumen, „dass der BND abermals an derlei beteiligt war“. Bereits 1979 bis 1983 habe ein BND-Mitarbeiter Gaddafis Wachregiment ausgebildet. Mit Kenntnis des BND hätten zudem deutsche Soldaten und Polizisten Gaddafi 2005/2006 in Sicherheitsfragen beraten. Ströbele ist Mitglied des Parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der Geheimdienste.
Die Sturmgewehre aus Deutschland stammen nach Angaben von Rüstungsgegnern aus dem Jahr 2003. Das Produktionsjahr lasse sich von Kürzeln auf den Waffen ablesen. Die eigentlichen Gewehrnummern seien aus den Waffen herausgefräst und durch fiktive Nummern ersetzt worden. Entweder seien die Waffen von Heckler & Koch oder über einen Nato-Partner exportiert worden.
Die Rüstungsgegner um den Freiburger Jürgen Grässlin, der am Abend den Aachener Friedenspreis erhalten sollte, erstattete am Donnerstag Strafanzeige gegen die Firma Heckler & Koch. Sein Vorwurf: Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, gegen das Außenwirtschaftsgesetz sowie Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Das betroffene Unternehmen reagierte gelassen auf die Anzeige. „Herr Grässlin stellt eigentlich ständig Strafanzeigen gegen Heckler & Koch, und bislang hat noch nicht eine einzige ein Fehlverhalten von Heckler & Koch bestätigt“, sagte eine Sprecherin.