DGB gibt Rechtsschutz für Hartz-IV-Klagen
Berlin (dpa) - Für Klagen gegen den Hartz-IV-Kompromiss sollen DGB-Mitglieder Rechtsschutz bekommen. „Wir haben große Zweifel, ob die neuen Hartz-IV-Regelsätze den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes genügen“, sagte DGB-Chef Michael Sommer zur Begründung dem „Hamburger Abendblatt“ (Samstag).
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel verteidigte derweil, dass seine Partei dem Gesetz zugestimmt hat, obwohl auch bei ihr Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bestehen. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wies die Zweifel zurück. Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt forderte Korrekturen an der Reform, die am Freitag in Bundestag und Bundesrat abschließend gebilligt worden war.
Gabriel bekräftigte in der „Bild am Sonntag“ seine Zweifel, ob die Berechnung der Regelsätze verfassungskonform ist. Nach seiner Ansicht ist Arbeitsministerin Ursula von der Leyen „da große Risiken eingegangen“. Die SPD habe nur keinen Sinn mehr darin gesehen, weiter darüber zu streiten. „Wir haben lieber das Bildungspaket verbessert und weitere Mindestlöhne durchgesetzt“, sagte Gabriel.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hatte bereits am Freitag Zweifel an der verfassungsfesten Berechnung des Regelsatzes eingeräumt. Er sehe „nicht ohne Sorge“ der Überprüfung des Verfassungsgerichts entgegen. Beck bekräftigte seine Zweifel am Wochenende in mehreren Interviews.
Von der Leyen meinte, das neue Gesetz werde einer Überprüfung durch das Verfassungsgericht standhalten. „Die Opposition hat acht Wochen jeden Cent des Regelsatzes auf den Prüfstand gestellt - und uns keinen Fehler nachweisen können, obwohl sämtliches Datenmaterial auf dem Tisch lag. Von daher bin ich zuversichtlich, dass wir jetzt ein verfassungskonformes Gesetz haben“, sagte sie in einem am Samstag veröffentlichten Interview der Zeitschrift „Super Illu“.
Die FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Birgit Homburger, warf Gabriel Prinzipienlosigkeit vor. Morgens im Bundestag hebe Gabriel die Hand für den Hartz-IV-Kompromiss, mittags zweifle er im Interview an dessen Verfassungsmäßigkeit, sagte Homburger der „Welt am Sonntag“. „Die FDP ist davon überzeugt, dass der Kompromiss auch vor dem Bundesverfassungsgericht besteht.“
Die Linke-Vorsitzende Gesine Lötzsch warf den SPD-Politikern vor, mit ihren öffentlich geäußerten Zweifeln wollten sie „darüber hinwegtäuschen, dass sie einem völlig inakzeptablen Gesetz zugestimmt (haben)“. Die SPD-Führung wolle sich aus der Verantwortung stehlen.
Arbeitgeber-Präsident Hundt sieht durch den Hartz-IV-Kompromiss milliardenschwere Belastungen auf die Beitragszahler der Arbeitslosenversicherung zukommen. Der Bundesagentur für Arbeit würden rund vier Milliarden Euro aus der Mehrwertsteuer entzogen, die ausschließlich der Beitragssenkung dienten, sagte Hundt der „Rheinpfalz am Sonntag“. Er warnte davor, die Finanzlücke mit einer Erhöhung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung ausgleichen zu wollen.
Den Bundeshaushalt kommt der Hartz-IV-Kompromiss in den nächsten fünf Jahren teuer zu stehen. Das Bundesfinanzministeriums weise bis 2015 Mehrkosten von 23,5 Milliarden Euro aus, berichtet das Magazin „Focus“. Grund ist vor allem die Bereitschaft des Bundes, die Kosten der Grundsicherung für arme Rentner zu übernehmen. Dieser Posten war während der Verhandlungen über den Kompromiss für das Jahr 2014 mit 4 Milliarden Euro angegeben worden. Laut „Focus“ reduzieren sich die Ausgaben der Kommunen bis 2015 um rund 12 Milliarden Euro. Die Länder profitieren mit einer jährlichen Entlastung von 60 bis 80 Millionen Euro.