Die Kanzlerin und ihre Vergangenheit in der DDR
Der Wahlkampf kommt — und Angela Merkel lässt es menscheln. Doch es gibt Enthüllungen über ihre Zeit in der FDJ.
Berlin. Eigentlich schottet Angela Merkel (CDU) ihr Privatleben hermetisch ab. Noch nie war etwa ein Journalist oder Mitarbeiter in ihrer Wohnung an der Berliner Museumsinsel, geschweige denn in ihrem Wochenendhäuschen in der Uckermark. In den zurückliegenden Wochen aber hat man so viel Privates von Angela Merkel gesehen und gehört wie in acht Regierungsjahren nicht. Der Wahlkampf kommt, Angela Merkel lässt es menscheln.
Es häufen sich Schulbesuche und Podiumsgespräche. Und so erfuhr man, dass sie die Omi ist für die Kinder des aus erster Ehe stammenden Sohnes ihres Mannes. Dazu gab es Paparazzi-Fotos vom Urlaub auf Ischia. Bei einem Gespräch mit der Zeitschrift „Brigitte“ erzählte Merkel über den Ehealltag mit Joachim Sauer und was sie an Männern attraktiv findet: schöne Augen.
So schien es auch am Sonntagabend weiterzugehen, als Merkel sich mit ihrem Mann in einem Berliner Kino den DDR-Kultfilm „Die Legende von Paul und Paula“ aus den frühen 1970er Jahren ansah und anschließend über ihre Teenie-Zeit im brandenburgischen Templin befragen ließ. Sie erzählte sehr zum Amüsement des Publikums von Feten, der Musik und der Mode. Ein richtiger DDR-Backfisch eben.
Allerdings gab es auch eine unangenehme Frage. Sie galt der Enthüllung zweier „Bild“-Autoren, die über „Das erste Leben der Angela M.“ recherchiert und darüber ein Buch veröffentlicht haben. Demzufolge war Merkel während ihrer Zeit an der DDR-Akademie der Wissenschaften in Berlin in den 1980er Jahren Sekretärin für Agitation und Propaganda der SED-Jugendorganisation FDJ ihrer Sektion Physik und außerdem Mitglied der „Betriebsgewerkschaftsleitung“.
Merkel hatte nie ein Hehl aus ihrer damaligen FDJ-Mitgliedschaft gemacht. 1991 schon sagte sie dem Journalisten Günter Gaus: „Ich war gerne in der FDJ.“ Und zwar, so schilderte sie seinerzeit, wegen der „Freizeitveranstaltungen“ und auch aus „70 Prozent Opportunismus“. Nur dass sie für die Propaganda zuständig gewesen sei, das hatte die Kanzlerin stets im Unklaren gelassen. Es sei die Kulturarbeit gewesen, war ihre Version.
Am Sonntag im Kino sagte sie nun dazu, sie habe sich bisher immer auf ihre Erinnerung gestützt. „Wenn sich jetzt etwas anderes ergibt, kann man damit auch leben.“ Ein Dementi klingt anders. Merkel, so scheint es, ist in jungen Jahren im System mitgelaufen.
Eine andere Information der „Bild“-Autoren spricht allerdings auch für die Kanzlerin. Nämlich, dass sie schon im Oktober 1989, also vor dem Mauerfall, der DDR-Oppositionsgruppe „Demokratischer Aufbruch“ beitrat. Merkel selbst hatte stets vom Dezember 1989 gesprochen, was deutlich weniger mutig gewesen wäre. Und keinesfalls nachteilig ist die Enthüllung, dass sie noch im September 1989 nicht für die Wiedervereinigung, sondern für einen demokratischen Sozialismus in einer eigenständigen DDR gewesen sei. Selbst Bundeskanzler Helmut Kohl sprach Ende 1989 von einer Konföderation zweier eigenständiger deutscher Staaten.