Die Rückkehr der Anti-Atom-Bewegung

Zuerst die Laufzeitverlängerung hierzulande, dann der Unfall in Japan: Viele Menschen protestieren wieder gegen AKWs. Ist das nur eine Momentaufnahme?

Düsseldorf. Plötzlich ist sie wieder da, die lächelnde rote Sonne. „Atomkraft? Nein danke!“ ist schon seit Jahrzehnten ihr Slogan. Sie hatte sich rar gemacht in den vergangenen Jahren. Doch nun ist sie begehrt wie nie. Bis zu 800 Bestellungen pro Tag meldet die Initiative „ausgestrahlt“, die die Aufkleber und Buttons vertreibt. Man könne mangels Vorrat gar nicht allen Bestellungen nachkommen.

Am Samstag wird die Sonne wahrscheinlich wieder tausendfach zu sehen sein. In Berlin, Hamburg, München und Köln (ab 12 Uhr) hat ein breites Bündnis aus Umweltverbänden und -initiativen zu Großdemonstrationen aufgerufen.

Die Veranstalter rechnen mit jeweils mehreren zehntausend Teilnehmern. Vor dem Hintergrund des Atomunfalls in Japan und der Debatte um die Laufzeitverlängerung hierzulande gehen viele davon aus, dass es die größten Anti-Atom-Demonstrationen seit Jahren werden könnten.

Eine Momentaufnahme, die in einigen Wochen wieder abflauen wird? „Das glaube ich nicht“, sagt der Protestforscher Dieter Rucht. „Es deutet vieles darauf hin, dass die Anti-Atom-Bewegung wieder da ist.“ Schon mit dem Beginn der Diskussion über die Laufzeitverlängerung im Herbst 2009 sei sie wieder aufgeblüht, erläutert der Soziologe vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). „Die Ereignisse in Japan haben diese Entwicklung nun immens verstärkt und beschleunigt.“

Auffällig ist auch, dass die Protestbewegung vielschichtiger geworden ist. Es sind bei weitem nicht nur die Aktivisten aus den 1970er und 1980er Jahren, die wieder an Demonstrationen und Mahnwachen teilnehmen. Es sind Menschen jeden Alters und aus allen Teilen der Gesellschaft. Das prägt die Anti-AKW-Bewegung neu. Sie sei „deutlich weniger ideologiebeladen“ als noch vor 30 Jahren, urteilt Rucht.

Unter den Protestierenden sieht man auch immer mehr Jugendliche. Sie haben den Gau von 1986 nicht miterlebt, ihr Tschernobyl ist Fukushima. „Die ganz Jungen spüren, dass Atomkraft mehr Bedeutung für ihr Leben hat als für andere“, sagt Jugendforscher Klaus Hurrelmann im „Zeit“-Magazin. Durch Umweltthemen werde es wahrscheinlich zu einer Repolitisierung der jüngeren Generation kommen, so der Soziologe, der an der Shell-Jugendstudie mitarbeitet.