Umstrittene Früherkennung Debatte um Down-Syndrom-Gentest: Das sind die Argumente

Berlin · Eine große Menschheitsfrage im Drei-Minuten-Takt: Der Bundestag debattiert über einen Gentest zur Früherkennung des Down-Syndroms. Das sind die Argumente zwischen Gerechtigkeit und Moral.

Der Bundestag debattiert über einen vorgeburtlichen Bluttest zur Früherkennung des Down-Syndroms.

Foto: dpa/Caroline Seidel

Über zwei Stunden lang hat der Bundestag am Donnerstag darüber debattiert, ob ein Gentest zur Erkennung des Down-Syndroms bei Schwangeren Kassenleistung werden soll oder nicht. Es wurde eine ethische Grundsatzdebatte darüber, wie die Gesellschaft mit Behinderten umgeht und wie weit der technische Fortschritt in der Medizin gehen darf.

Einen Beschluss fasste das Parlament nicht, das ist Sache des zuständigen Gemeinsamen Ausschusses der Kassen und der Ärztevertreter. Dieses Gremium hatte um eine „Orientierung“ gebeten. In der Debatte gab es keinen Fraktionszwang, Gegner und Befürworter gab es in allen Parteien. Hier die Kernargumente:

Die Gerechtigkeit. In der reinen Frage der Kassenleistung argumentierten viele mit dem Fakt, dass der Bluttest auf den Genfehler Trisomie 21, der das Down-Syndrom hervorruft, bereits seit 2012 zugelassen ist. Nur muss er privat bezahlt werden (rund 200 Euro), es sei denn, die private Krankenversicherung übernimmt die Kosten. Als Leistung der gesetzlichen Krankenkasse gibt es bisher nur die Fruchtwasseruntersuchung, die ungenauer ist und für Schwangere wie Fötus ein größeres Risiko bedeutet. „Der Gentest ist medizinisch gesprochen schlicht und ergreifend besser“, sagte der SPD-Politiker und Mediziner Karl Lauterbach. Damit sei es eine ethische Frage, ob man ihn Frauen vorenthalten dürfe, „die das Geld nicht haben“. Ähnlich Claudia Schmidtke, CDU, ebenfalls Ärztin, oder ihr Medizinerkollege Axel Gehrke, AfD. Die meisten Befürworter sprachen sich dafür aus, den Test zunächst nur für Risikoschwangerschaften als Kassenleistung zu gewähren. Zum Beispiel, wenn die werdenden Mütter älter als 35 sind.

Die Moral. Mit ihr argumentierten die Gegner. Mit großer Verve stieg hier Beatrix von Storch, AfD, ein, die von sozialem Druck auf die Mütter sprach, bei Vorliegen einer Trisomie 21 sofort abzutreiben. Hier solle eine „Optimierung des Menschen“ stattfinden. Der CSU-Abgeordnete Stephan Pilsinger warnte ebenfalls vor einer Gesellschaft, in der der Mensch schon vor der Geburt „analysiert, bewertet und eventuell verworfen“ werde. Corinna Rüffer, Grüne, sagte, der Test diene der „Selektion“. Die meisten Redner dieser Richtung forderten, den neuen Bluttest, wenn überhaupt, dann erst nach der 12. Schwangerschaftswoche zu bezahlen – wenn eine Abtreibung nur mit medizinischer Indikation möglich ist.

Die Beratung. Hier war wieder Konsens bei allen. Sowohl vor als auch nach dem Test müssten die Betroffenen sehr viel intensiver als bisher beraten werden. „Die Option, sich für das Leben zu entscheiden, muss gestärkt werden“, fand Ex-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU). Die SPD-Politikerin Dagmar Schmidt, die selbst ein Kind mit Down-Syndrom hat, ergänzte, auch die Ärzte müssten in psychosozialen Fragen gut ausgebildet sein, um den Betroffenen helfen zu können.

Die Inklusion. Dass der Umgang mit Behinderten generell besser werden muss, zog sich durch viele Beiträge. „Eine Behinderung ist in Deutschland immer noch ein Armutsrisiko, und das müssen wir abstellen“, erklärte Cornelia Möhring, Linkspartei. Nur wenn die Inklusion überall erreicht sei, könnten sich die Mütter „wirklich frei entscheiden“, sagte Katja Dörner, Grüne.

In der Debatte wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass schon weitere Tests zur Früherkennung anderer Behinderungen oder von Krankheitsrisiken entwickelt werden. Der FDP-Politiker Pascal Kober forderte, der Bundestag solle sich regelmäßig mit diesen Entwicklungen befassen. SPD-Mann Lauterbach schlug ein neues Gremium vor, dass solche Tests bewerten solle.

Die sehr würdige Aussprache wurde von etlichen Down-Behinderten auf der Tribüne verfolgt. Etwas unsensibel agierte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) bei der Durchsetzung der vereinbarten Redezeit von drei Minuten. So stellte er mehrere Rednern just im Moment ihrer meist emotionalen Schlussappelle das Mikrofon ab. Darunter der Grünen-Abgeordneten Corinna Rüffer, die noch einen Satz zu den Behinderten auf der Tribüne sagen wollte. Ebenso der Chefin der CDU-Frauen-Union, Annette Widmann-Mauz, die erkennbar schon kurz vor dem Ende ihres Beitrages stand. Und als die Linken-Abgeordnete Petra Sitte praktisch im Weggehen noch sagte, eigentlich müsse man hier im Bundestag „über die Art reden, wie wir mit Behinderten leben“, fügte Schäuble hinzu: „Aber Sie nicht mehr.“