Duisburger entscheiden Sonntag über ihren Oberbürgermeister
Sonntag entscheiden die Duisburger über ihren Oberbürgermeister. Es geht um Moral.
Düsseldorf. In Duisburg zirkuliert in diesen Tagen folgender Witz. „Was ist der Unterschied zwischen unserem Oberbürgermeister Adolf Sauerland und Bundespräsident Christian Wulff?“ Antwort: „Sauerland hat alles bezahlt. Wulff können wir aber nicht abwählen.“
Es ist dieser schräge Ruhrgebietshumor, mit dem die Bürger zwischen Rheinhausen und Meiderich ihre Situation zu beschreiben versuchen: In einer bundesweit bislang einmaligen Wahl sind sie dazu aufgerufen, ihren Oberbürgermeister abzuwählen, also aus dem Amt zu jagen. Die ganze Republik schaut zu, denn es geht um moralische Verantwortung in der Politik.
Der CDU-Politiker Adolf Sauerland („Auch mein Vater und mein Großvater hießen so“) war bis zum 24. Juli 2010 ein durchaus angesehenes Stadtoberhaupt. Doch dann brach die Loveparade-Katastrophe über die Stadt, aber auch ihn herein.
21 junge Menschen starben bei einer Veranstaltung, die den behördlichen Zulassungsstempel der Stadt Duisburg trug. Am Tag danach hatte Sauerland nichts Besseres zu tun, als jede persönliche Verantwortung von sich zu weisen. Bei den Angehörigen der Opfer hat er sich erst ein Jahr später entschuldigt. In seiner Stadt kann er sich nicht mehr blicken lassen.
„Natürlich hat der nicht die alleinige Verantwortung für das, was passiert ist. Die liegt auch beim Veranstalter, bei der Polizei und bei der Stadtverwaltung. Aber die moralische Verantwortung für den Tod von 21 Menschen hätte er übernehmen müssen“, sagt Theo Steegmann vom Abwahlbündnis „Neuanfang für Duisburg“.
Steegmann, einst einer der Wortführer beim legendären Stahlarbeiter-Streik in Duisburg-Rheinhausen, hat sich erst engagiert, als die Toten der Loveparade längst beerdigt waren. „Ich habe nie was gegen Sauerland gehabt. Aber als er sich verdrückt hat, als er die Opfer nicht besucht hat und vor allem, als er für 400 000 Euro auf Stadtkosten ein Gutachten bestellt hat, das ihn von allen Vorwürfen freisprach, war es vorbei.“
Steegmann und andere sammelten mehr als 80 000 Unterschriften und leiteten damit das erste Abwahlverfahren gegen ein Stadtoberhaupt in der Geschichte des Landes ein. Für Sauerland und die Duisburger CDU ist die Gefechtslage klar: „Das ist eine klare Kampfansage des linken Lagers und eine gezielte Medienkampagne“, wetterte Sauerland unter großem Jubel auf dem jüngsten CDU-Parteitag.
Tatsächlich wird das Abwahlbündnis von Parteien unterstützt — von der SPD, der Linken, den Grünen bis hin zur FDP. Dazu engagieren sich Gewerkschaften wie auch Einzelpersonen, wie etwa Pfarrer. Es sei ein Zweckbündnis, betont Steegmann.
Und was passiert nach dem Sonntag? Dann werde es hoffentlich einen überparteilichen Kandidaten geben, sagt Steegmann. Seine Horrorvorstellung: Die Initiative scheitert knapp. Und Sauerland bliebe im Amt — bis 2015.