Nach SPD-Parteitag Empörung über Schulz-Kritik an Merkel: „Entgleisung“

Berlin/München (dpa) - Die Verbal-Attacke von SPD-Chef Martin Schulz gegen Kanzlerin Angela Merkel beschädigt den Zusammenhalt der schwarz-roten Koalition spürbar.

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Zudem zeichneten sich am Montag kaum überwindbare Hürden für eine Neuauflage der großen Koalition nach der Bundestagswahl ab, falls kein anderes Bündnis zustande kommt. Vorausgesetzt, dass sich alle Parteien an ihre „roten Linien“ halten.

So bedauerte CSU-Chef Horst Seehofer am Montag in München die SPD-Forderung zur Ehe für alle als Bedingung für eine Regierungsbeteiligung. Das hatten zuvor auch FDP und Grüne so beschlossen. Die CSU wiederum lehnt weiterhin jede Koalition ab, die sich gegen eine Obergrenze für neu ankommende Flüchtlinge sperrt.

Demnach könnte die CDU von Kanzlerin Angela Merkel nach der Wahl mit niemandem ein Regierungsbündnis eingehen, denn die CDU ist wie die CSU gegen die Ehe für alle, aber anders als die CSU auch gegen eine Obergrenze für Flüchtlinge. Ein Bündnis mit den Linken oder der AfD schließen die Christdemokraten aus.

Fast die gesamte Führungsriege hinter Merkel reagierte empört auf die Verbalattacke von Schulz gegen Merkel, auch in der SPD gab es vereinzelt Kritik an Schulz. Er hatte beim SPD-Parteitag am Sonntag in Dortmund gesagt, Merkel und die Union drückten sich vor inhaltlichen Aussagen und nähmen damit eine geringere Wahlbeteiligung in Kauf. „Ich nenne das einen Anschlag auf die Demokratie.“

Seehofer nannte die Wortwahl für einen Kanzlerkandidaten „unwürdig“. Schulz habe wohl schon jetzt „die Nerven verloren“. CDU-Vize Armin Laschet sagte, Schulz solle seine „billige Attacke“ zurücknehmen. Merkel sei ganz sicher keine Gefahr für die Demokratie, sagte auch CDU-Vize Thomas Strobl. CDU-Bundesvize Julia Klöckner mahnte: „Diese Wortwahl haben wir bei Terroristen genutzt bisher.“ Auch CSU- Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sprach in der „Rheinischen Post“ von Worten, mit denen sonst Terroranschläge beschrieben werden.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: „Es ist offensichtlich, dass für die Bundesregierung klar ist, dass wir alle zusammen für die Demokratie arbeiten.“ Basis dafür sei seit 2013 der Koalitionsvertrag von Union und SPD. Hamburgs früherer SPD-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi sprach in der „Welt“ von einer „Entgleisung“ von Schulz. Als Spitzenkandidat und SPD-Chef solle er genau „aufpassen, was er sagt“.

SPD-Vize Ralf Stegner und SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann verteidigten Schulz. Dieser habe mit seiner Kritik an Merkel einen „wunden Punkt“ getroffen, sagte Stegner. Oppermann sagte in der ARD: „Wahlkampf ist nicht das Hin- und Herwerfen von Wattebäuschen, sondern da muss man auch mal konkret werden. Ich finde das ist in diesem Fall gelungen.“

Zu den wichtigsten Punkten des SPD-Wahlprogramms, das von den SPD-Delegierten ohne Gegenstimme bei nur einer Enthaltung beschlossen wurde, zählt die Forderung nach Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen und höheren Steuern für Spitzenverdiener. Das strittige Thema Vermögensteuer wurde kurzfristig vertagt. Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sagte der „Welt“: „Tatsächlich hat die Partei nun ein Wahlprogramm beschlossen, das sich noch ängstlicher vor den Wünschen der Konzernlobbyisten und Superreichen verbeugt als frühere Programme.“

CDU und CSU wollen am 3. Juli ihr Wahlprogramm beschließen und vorstellen. Kernpunkte werden nach mehrfachen Ankündigungen Merkels Verbesserungen für Familien (etwa durch ein Baukindergeld) und Bildung sowie milliardenschwere Steuerentlastungen sein. CDU-intern ist die Höhe aber noch nicht geklärt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nennt eine Größenordnung von 15 Milliarden Euro Entlastung bei der Einkommensteuer, es gibt aber Rufe nach einer stärkeren Entlastung.

Vereinbart sei bisher die Senkung der Einkommensteuer ab 2019 und ab 2020 der Abbau des Solidaritätszuschlags, verlautete aus Unionskreisen. Der Spitzensteuersatz solle erst ab 60.000 Euro greifen (bisher rund 53.600) und Forschungsausgaben sollen künftig steuerlich absetzbar werden, hieß es bei der CSU. Der Kinderfreibetrag solle angehoben und das Kindergeld erhöht werden, zunächst womöglich um 20 Euro. Ferner solle die Kinderbetreuung an Grundschulen verbessert werden.

Nach Berichten der Zeitungen der Funke Mediengruppe sowie der „Süddeutschen Zeitung“ sehen CDU-Pläne einen Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung für Grundschulkinder vor. Außerdem sollen Handwerker das sogenannte Meister-Bafög nicht mehr zurückzahlen müssen, wenn sie ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben.