Austritt aus der CDU Erika Steinbach rechnet mit Merkel ab

Berlin/Frankfurt (dpa) - Aus tiefer Enttäuschung über die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel tritt die Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach nach vier Jahrzehnten aus der CDU aus.

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Sie würde heute weder in die CDU eintreten noch die Partei wählen, schrieb die 73-Jährige am Sonntag in einer fünfseitigen Erklärung. Die konservative Politikerin rechnet darin mit Merkel ab und wirft ihr vor, durch fortgesetzten Rechtsbruch Deutschland und der CDU „massiv geschadet“ zu haben.

Positiv äußerte sich Steinbach, die jahrelang Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) war, über die AfD. Die rechtspopulistische Partei lud sie umgehend zum Eintritt ein. Das schlug Steinbach aber aus. „Ich werde keiner anderen Partei beitreten“, sagte die Bundestagsabgeordnete am Sonntag dem ZDF. Ihr Bundestagsmandat will Steinbach jedoch bis zum Ende der Legislaturperiode behalten. „Ich werde weiter das vertreten, wofür ich gewählt worden bin“, betonte sie.

Mit ihrer Haltung sieht sich Steinbach in der CDU nicht allein. „Es gibt viele, die an ihrer CDU verzweifeln“, sagte sie im ZDF. Der Verdruss sei groß, das bekomme sie in ihrem Wahlkreis immer wieder zu hören. Der Weg zum Austritt sei allerdings ein „quälender Prozess“ gewesen.

Steinbach ist Sprecherin für Menschenrechte ihrer Fraktion und gehört dem Fraktionsvorstand an. Bis 2010 war sich auch Mitglied des CDU-Bundesvorstandes. Sie sitzt seit 1990 für den Wahlkreis Frankfurt am Main II im Bundestag. Steinbach hatte bereits im August angekündigt, bei der Bundestagswahl im Herbst nicht mehr anzutreten.

Steinbach schrieb zur Begründung ihres Austritts aus der Partei und der Bundestagsfraktion, Merkel entscheide notfalls „auch unter Außerachtlassung von Recht und Gesetz“. „Sowohl der ökonomische als auch der kulturelle Schaden sind für Deutschland ohne Beispiel und in ihrem Ausmaß noch überhaupt nicht in vollem Umfang abschätzbar.“ Als Beispiele nannte Steinbach den von Merkel überraschend beschlossenen Atomausstieg, die milliardenschweren Euro-Rettungspakte sowie vor allem die Flüchtlingspolitik. Über ihren Schritt hatte am Samstag zuerst die „Welt am Sonntag“ berichtet.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber kritisierte die Art und Weise des Austritts scharf: Steinbachs Schritt „hat sich schon längere Zeit angedeutet“, sagte Tauber am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. „Ich finde es bedauerlich, dass Frau Steinbach ihn auf diese Art und Weise vollzieht. Maßlose und unberechtigte Vorwürfe über die Medien und nicht im direkten Gespräch zu verbreiten, ist nicht konservativ.“

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte der „Passauer Neuen Presse“ (Montag): „Die konservativen Wurzeln sind unverzichtbar für CDU und CSU. Es wäre besser, wenn Frau Steinbach weiter in der CDU für ihre Positionen kämpfen würde.“ Der hessische CDU-Politiker Christean Wagner, einer der konservativen Wortführer in der Partei („Berliner Kreis“), sieht in Steinbachs Austritt einen „zusätzlichen Ansporn“ für die CDU-Spitze, stärker auf die konservative Wählerschaft Rücksicht zu nehmen. Andernfalls werde die Union weitere große Wahlniederlagen erleiden, sagte Wagner der dpa.

Steinbach sagte der „Welt am Sonntag“, sie hoffe, dass die AfD in den Bundestag einziehe, „damit es dort endlich wieder eine Opposition gibt“. Die stellvertretende AfD-Bundessprecherin Beatrix von Storch schrieb auf Twitter: „Liebe Frau Steinbach, konservative Ex-CDU'ler sind in der AfD immer herzlich willkommen.“ AfD-Vize Alexander Gauland sagte der dpa: „Ich kenne Frau Steinbach sehr gut, sie steht für die alten Werte der CDU.“ Diese sei inzwischen „zu einem Kanzlerinnenwahlverein degeneriert“.

Steinbach hielt Merkel vor, 2015 einsam entschieden zu haben, „mehr als eine Million Migranten ungesteuert und unüberprüft monatelang nach Deutschland nicht nur einreisen zu lassen, sondern sie auch noch mit Bussen und Zügen hierher zu transportieren, obwohl viele aus einem sicheren Herkunftsland kamen und praktisch alle über andere EU-Länder eingereist waren, und demgemäß nach geltendem EU-Recht (Dublin Abkommen) hätten zurückgewiesen werden müssen“. Es sei deshalb „mehr als befremdlich, im Grunde sogar unverfroren, dass die Kanzlerin eine gute Zusammenarbeit mit dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump in ihrer Gratulation an „den Respekt vor dem Recht" knüpfte.