Fall Franco A. Ermittler prüfen Terror-Netzwerk in der Truppe
Berlin (dpa) - Bei den Terrorermittlungen in der Bundeswehr zeichnet sich ein begrenztes rechtsextremes Unterstützer-Netzwerk um den inzwischen inhaftieren Offizier Franco A. ab.
Die unter Druck stehende Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte eine USA-Reise kurzfristig ab, um die Aufklärung voranzutreiben. Die jüngsten Verfehlungen an einzelnen Bundeswehr-Standorten hätten ihr gezeigt, „vielleicht hätte ich früher tiefer graben müssen“, sagte sie am Dienstag in Berlin. Die Bundesanwaltschaft übernahm die Ermittlungen gegen den terrorverdächtigen Offizier.
Von der Leyen machte deutlich, dass sie sich mit ihrer Kritik an der Führungskultur der Bundeswehr nicht aus der Verantwortung stehlen will. „Ich habe immer die Gesamtverantwortung“, betonte sie.
Wie viele Menschen im „soldatischen Umfeld“ von Franco A. dessen Überzeugungen geteilt haben, könne man noch nicht sagen, sagte der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Volker Wieker, der Deutschen Presse-Agentur. Der Bundeswehr seien einige Namen bekannt. Laut Redaktionsnetzwerk Deutschland hat das Ministerium Hinweise auf ein kleines rechtsextremistisches Netzwerk mit bis zu fünf Mitgliedern. Auch ein mutmaßlicher Komplize sitzt in U-Haft.
Der terrorverdächtige Offizier stahl möglicherweise Munition aus Bundeswehr-Beständen. „Wir haben Unstimmigkeiten festgestellt“, sagte Wieker. Es handele sich um Munition, die angeblich bei einer von Franco A. geleiteten Schießübung verwendet worden sein soll.
A. soll als syrischer Flüchtling getarnt eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet haben. So bezeichnen Sicherheitsbehörden zum Beispiel Terroranschläge. Er sitzt in Untersuchungshaft. Zuletzt war er in einer Kaserne stationiert, in der rechtsextremes Gedankengut wohl zumindest teils akzeptiert war.
Laut Verteidigungsministerium fanden die Inspekteure des Heeres und der Streitkräftebasis bei einem Besuch an dem Standort in Illkirch Hakenkreuz-Kritzeleien auf Wänden und auf einem Sturmgewehr. An den Wänden hingen Landser-Bilder und andere „Wehrmachts-Souvenirs“. An diesem Mittwoch will von der Leyen mit Wieker nach Illkirch in Frankreich reisen, um sich selbst ein Bild zu machen.
Nach Angaben von Ermittlern führte Franco A. eine Liste mit möglichen Anschlagsopfern. Laut „Tagesspiegel“ hatte A. unter anderem den ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck und Justizminister Heiko Maas (SPD) im Visier, laut Redaktionsnetzwerk Deutschland auch die Grünen-Politikerin Claudia Roth.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte in Washington: „Dies ist ein Fall, der uns alle besorgt.“ Er habe eine strenge Untersuchung angeordnet: „Nicht nur dieses, sondern auch vergleichbarer Fälle.“ Die Ergebnisse müsse man nun abwarten, und dann auch „gegebenenfalls systemische, strukturelle Konsequenzen ziehen“. SPD und Linke hatten de Maizière Versagen vorgeworfen - auch weil der Inlandsgeheimdienst die Terrorgefahr nicht entdeckt habe.
Franco A. soll bereits in einer Abschlussarbeit 2014 eine rechtsextreme Gesinnung zum Ausdruck gebracht haben. Wieker sagte, die Vorgesetzten hätten nach der Masterarbeit handeln müssen. Ein Gutachter habe damals festgestellt, es handele sich um einen „radikalnationalistischen, rassistischen Appell“. In der Arbeit heißt es zum Beispiel, ohne schnelle Maßnahmen gegen die liberale postmoderne Ideologie sei „die Vernichtung des Volkes nur eine Frage der Zeit“. Wieker sagte, es wäre notwendig gewesen, zu diesem Zeitpunkt auch den Militärischen Abschirmdienst (MAD) einzuschalten.
In diesem Zusammenhang sei auch die Kritik der Ministerin zu verstehen, sagte Wieker. Von der Leyen hatte der Bundeswehr ein Haltungsproblem und Führungsschwäche attestiert. In einem offenen Brief an die Bundeswehr-Angehörigen schrieb sie, die jüngsten Skandale in der Truppe seien keine Einzelfälle.
Die Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger sagte der dpa, von der Leyen müsse alle Fakten auf den Tisch legen. „Stattdessen versucht sie in einem durchsichtigen, panischen Manöver mit markigen Pressestatements die Verantwortung einfach von sich wegzuschieben.“
Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), sagte im Bayerischen Rundfunk: „Wenn Frau von der Leyen nun sagt, es gebe ein Führungsproblem, dann muss man natürlich sagen: Führung fängt oben an.“ Ähnlich äußerte sich der Chef des Bundeswehrverbands, André Wüstner, unter anderem im MDR. Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold forderte in der „Passauer Neuen Presse“ eine Entschuldigung von der Leyens bei der Bundeswehr.
Wieker entgegnete, die Ministerin habe die Bundeswehr nicht unter Generalverdacht stellen wollen. Ihr sei es um Aufklärung gegangen.