Appell für Freiheitsrechte Ex-Präsident Obama beim Kirchentag umjubelt
Berlin (dpa) - Jubel für Ex-US-Präsident Barack Obama, Proteste gegen die AfD: Die aus den Fugen geratene Welt und der Streit um den erstarkenden Rechtspopulismus haben den Beginn des Evangelischen Kirchentags in Berlin geprägt.
Bei einer Diskussionsrunde mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor dem Brandenburger Tor rief Obama vor rund 70 000 Zuschauern dazu auf, sich klar gegen Fremdenhass, Nationalismus und antidemokratische Strömungen in der Welt einzusetzen. „Ich denke, das ist eine wichtige Schlacht, die wir austragen müssen“, sagte er.
Mit einem eindringlichen Appell für Freiheitsrechte und diplomatische Konfliktlösungen grenzte sich Obama indirekt gegen Donald Trump ab. Er betonte zudem, er sei stolz auf seine Gesundheitsreform, die Trump gerade wieder abschafft. Den Namen seines Nachfolgers erwähnte Obama bei seinem mit Spannung erwarteten Auftritt allerdings nicht.
Die Veranstaltung wurde von hohen Sicherheitsvorkehrungen begleitet: Es gab Taschenkontrollen, bewaffnete Polizisten patrouillierten, Scharfschützen waren auf umliegenden Dächern positioniert. Zum Schutz vor Terror werden auch andere große Veranstaltungen des Kirchentages stärker gesichert als früher, Tausende Polizisten sind im Einsatz.
Merkel verteidigte ihren zuletzt restriktiveren Kurs in der Asylpolitik. Sie wies zugleich auf das „Dilemma“ der Kluft zwischen christlichem Mitgefühl und Realpolitik hin. Angesichts vieler Flüchtlinge ohne Bleiberecht in Deutschland gelte es, schnell Asyl-Entscheidungen zu treffen. „Ich weiß, dass ich mich damit nicht beliebt mache“, sagte die CDU-Vorsitzende. Die deutsche Asylpolitik müsse sich auf diejenigen Menschen in der Welt konzentrieren, die dringend Hilfe brauchten, und davon gebe es immer noch genug.
Unterdessen ging der Streit zwischen den Kirchen und der AfD in eine neue Runde: Bei einer von lauten Protesten begleiteten Diskussion mit einer AfD-Vertreterin verurteilte der Berliner Bischof Markus Dröge den rechtspopulistischen Kurs der Partei. „Ich kann mich als Christ nicht in einer Partei engagieren, die Ängste dramatisiert, Misstrauen sät und Ausgrenzung predigt“, sagte er. Statt Lösungen für Probleme zu finden, provoziere und agitiere die AfD und mache Menschen Angst.
Anette Schultner vom Bundesverband Christen in der AfD warf den Kirchen vor, ein Arm linker Parteien in die Gesellschaft zu sein. Statt sich um die Verbreitung des Glaubens zu kümmern, übernehme die Kirche die Rolle eines politischen Spielers und mische sich in staatliche Angelegenheiten ein.
Die Frage, welche Rolle die Kirche spielen soll, ist auch in der CDU umstritten. Merkel betonte bei einem Empfang am Mittwochabend, Religion gehöre für sie in den öffentlichen Raum. Die Kirchen sollten sich ruhig immer wieder in öffentliche Debatten einmischen. CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn forderte die Kirchen dagegen ähnlich wie die AfD auf, sich mehr auf „ihre Kernthemen“ Seelsorge, Glaubensvermittlung und das Karitative zu konzentrieren. Sie mischten sich zu sehr in die Tagespolitik ein, sagte er den Zeitungen „Heilbronner Stimme“ und „Mannheimer Morgen“.
Der religionspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, wies Spahns Äußerungen als „paradoxe Intervention“ zurück. „Wenn die Kirchen ihrem Auftrag folgen und sich für die Schwachen, Ausgegrenzten und für Flüchtlinge engagieren, passt das offensichtlich nicht jedem in der CDU“, erklärte er.
Insgesamt stehen beim Kirchentag rund 2500 Veranstaltungen auf dem Programm, darunter Gottesdienste, Bibelarbeiten, Diskussionsrunden mit Politikern, Vorträge, Konzerte und Ausstellungen. Zu dem fünftägigen Glaubensfest erwarteten die Veranstalter 140 000 Dauerteilnehmer sowie zusätzlich Zehntausende Tagesbesucher.
Eröffnet wurde das Treffen zum Reformationsjubiläum am Mittwochabend mit drei stimmungsvollen Open-Air-Gottesdiensten: Vor dem Reichstag, vor dem Brandenburger Tor und auf dem Gendarmenmarkt versammelten sich nach Angaben der Veranstalter rund 70 000 Menschen. Zum Abschluss fahren am Sonntag viele Gläubige in das etwa 100 Kilometer entfernte Wittenberg, um auf den Elbwiesen einen großen Gottesdienst zu feiern.