FDP-Führung: Der Befreiungsschlag bleibt aus
Die FDP-Führung tut alles, um den Schein von Geschlossenheit zu wahren. Doch hinter der Fassade rumort es. Rösler kann die Partei mit seiner Rede nicht begeistern.
Stuttgart. Ein verlogeneres Bild als die Schlussszene der Dreikönigs-Kundgebung der FDP ist derzeit in der deutschen Politik kaum vorstellbar. Scheinbar einträchtig steht die Führung der Liberalen auf der Bühne des Stuttgarter Opernhauses und beklatscht die lange Rede ihres Vorsitzenden Philipp Rösler. Ein 1400-köpfiges Publikum klatscht genauso einträchtig mit. Kaum einer, weder oben noch unten, meint es ernst.
Hans-Dietrich Genscher ist da vorne, meidet aber den direkten Kontakt mit Rösler. Man weiß von ihm, dass er längst einen anderen für geeigneter hält, nämlich Christian Lindner, den NRW-Landeschef. Rainer Brüderle nickt dem Vorsitzenden aufmunternd zu. Dabei hat er, der Fraktionschef, zuvor eine Rede gehalten, die bewiesen hat — und wohl auch beweisen sollte — dass er der eigentliche Liebling der Basis ist.
Jedenfalls gibt er ihr mit der Erinnerung an Erfolge im Regierungsgeschäft wieder Selbstbewusstsein, außerdem attackiert er die Opposition deftig: „Pleiten, Peer und Pannen.“ Bei Brüderle klatschen sie begeistert, einige stehen spontan auf. Es ist wie eine zerstrittene Familie an Weihnachten, bei der alle fürs Foto auf das Kommando „Spaghetti“ hin einmal kurz in die Kamera lächeln.
Dirk Niebel verkneift sich aber sogar dafür jede Freundlichkeit im Gesicht. Er klatscht nur mechanisch und stellt sich weit weg von Rösler. Der Entwicklungshilfeminister ist so etwas wie der Störenfried der diesjährigen Festveranstaltung, er wirft dem Vorsitzenden auf offener Bühne den Fehdehandschuh hin.
Es zerreiße ihn innerlich, auch wisse er um das „persönliche Risiko“ wenn er dies jetzt sage, fängt Niebel an. Aber „so wie jetzt kann es nicht weitergehen“. Die Finger zittern ein wenig, doch dann fordert er klar und deutlich ein Vorziehen des Parteitages, um die Führungsfragen zu klären. „Bis Mai können wir nicht warten.“ Es gibt ein paar Buh-Rufe im Saal, die Leute wollen keinen Streit.
Rösler kennt diese Stimmung. Schon eine Stunde vor der Opernhauskundgebung, als das Parteipräsidium zusammenkommt, verlangt er eine Aussprache. Und tatsächlich, wenn man den Informationen trauen darf, schwören alle Anwesenden, jetzt wieder zur Geschlossenheit zurückzufinden.
Nur hält sich Niebel anschließend nicht daran, auch nicht Wolfgang Gerhardt, der Ex-Vorsitzende, der in alle Kameras sagt, dass er ebenfalls für einen vorgezogenen Parteitag ist. „Jeder muss sich prüfen“, sagt er und meint Rösler.
Rösler selbst macht zu all dem in seiner Ansprache die Miene des Ahnungslosen. Er redet frei, seine Ableitungen geraten langatmig, es entsteht nur wenig Stimmung. Rösler hält eine Grundsatzrede über den Liberalismus im Allgemeinen und seine Abgrenzung zu den rot-grünen „Bevormundern“ im Besonderen. Das gefällt, reißt aber nicht mit. Zur innerparteilichen Debatte sagt er nur wenig.
Sie gehen unzufrieden, die 1400. Auf dem Heimweg unterhalten sich drei. Einer sagt, dass es doch ganz gut sei, dass Rösler nicht so geglänzt habe. „Du meinst, es war strategisch besser so, damit wir ihn noch loswerden?“ — „Ja, der kommt einfach nicht an bei den Leuten.“