Koalitionskompromiss Grundrente beschlossen - GroKo noch nicht gerettet

Berlin · Am Ende muss die Koalitionsspitze doch nochmal knapp sieben Stunden am Grundrenten-Kompromiss feilen. Herausgekommen ist für alle Seiten etwas. Doch ob die Kritiker in Parteien und Fraktionen zufrieden sind, ist offen.

Annegret Kramp-Karrenbauer (M), CDU-Vorsitzende, Malu Dreyer (r), kommissarische SPD-Vorsitzende, und Markus Söder, CSU-Vorsitzender, gehen nach den Statements zum Koalitionsausschuss.

Foto: dpa/Soeren Stache

Monatelang haben sich CDU, CSU und SPD gefetzt wie die Kesselflicker, sogar zum Knackpunkt für die ohnehin wackelige große Koalition ist die Grundrente gemacht worden. Vier Wochen vor dem für ihren Fortbestand entscheidenden SPD-Parteitag haben die Spitzen der Koalition nun am Sonntag ein vor allem für die Sozialdemokraten wichtiges Hindernis aus dem Weg geräumt. Jede Seite muss Kröten schlucken, aber Union und SPD können für sich jeweils auch Erfolge verbuchen. Die Frage ist nur: Stellt das die Kritiker in den Fraktionen von Union und SPD und bei der Parteibasis zufrieden?

Die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD wirken einigermaßen erleichtert, als sie nach knapp siebenstündigen Verhandlungen im Kanzleramt vor die Mikrofone treten.

Die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer nennt den Kompromiss dann einen „sozialpolitischen Meilenstein“. Vier von fünf Beziehern würden Frauen sein, ab dem 1. Januar 2021 werde die Grundrente zwischen 1,2 Millionen und 1,5 Millionen Menschen erreichen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte im Mai noch einen Grundrenten-Entwurf vorgelegt, von dem rund 3 Millionen Menschen profitieren sollten. Vor allem mit der Forderung, entgegen dem Koalitionsvertrag die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung zu gewähren, hat Heil nicht nur den Wirtschaftsflügel der Union auf die Palme gebracht.

Doch darum geht es an diesem Nachmittag nicht. Über allem schwebt die Frage, ob der Grundrenten-Kompromiss tatsächlich hilft, die Sozialdemokraten auf ihrem Parteitag Anfang Dezember zu überzeugen, bei der Koalitions-Stange zu bleiben.

Etwas genervt reagiert Dreyer denn auch, als sie nach dem Fortbestand der großen Koalition gefragt wird. Sie finde es „sehr schwierig, dass mit jeder Frage diese Frage verbunden wird“. Aber klar sei natürlich, dass die SPD die Grundrente für die Halbzeitbilanz der GroKo brauche, „weil sie uns eine Herzensangelegenheit ist“. Drei Legislaturperioden lang habe man eine Aufwertung ganz niedriger Renten versucht, nun sei es gelungen. Das sei allemal ein gutes Signal an ihre Partei, es mache deutlich: „Ohne die Sozialdemokratie wäre das sicherlich nicht so gekommen.“

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte davor schon gesagt, man habe einen dicken Knoten durchgeschlagen und - was für die Union sehr wichtig ist - ein Signal für die wirtschaftliche Dynamik gesetzt. Bei der Grundrente gebe es nun eine „umfassende Einkommensprüfung inklusive von Beträgen aus Kapital“. Schon länger ging es in den Verhandlungen auch um die semantische Frage, wie man der SPD-Spitze das verhasste Wort von der „Bedürftigkeitsprüfung“ ersparen kann. Nun ist daraus eben die „umfassende Einkommensprüfung“ geworden - geprüft wird also doch.

Offensiv geht „AKK“ die Frage an, wie der Kompromiss der Koalitionsspitze in Partei und vor allem der Unionsfraktion ankommt. Dort rumort es wegen der Grundrente massiv. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus, der sich zeitweise fast an die Spitze der Kritiker gestellt hat und qua Amt am Koalitionsausschuss teilnimmt, „steht auch hinter dieser Lösung“, sagt Kramp-Karrenbauer. Sie werde den Kompromiss an diesem Montag zusammen mit Brinkhaus in den CDU-Gremien vertreten und dann am Dienstag gemeinsam in der Fraktion. Mal sehen, wie die Kritiker dort dann reagieren.

„Die Kuh ist vom Eis“, gibt sich CSU-Chef Markus Söder erleichtert und fügt gleich an, um was es ihm vor allem geht: Damit sei die Halbzeitbilanz der GroKo perfekt abgerundet worden. Es gebe keinen Grund mehr, über ihren Fortbestand zu diskutieren, denn man habe „ein echtes Gerechtigkeits- und Leistungspaket zusammen“ auf den Weg gebracht. Der bis zu zehn Milliarden Euro umfassende Fonds für Digitalisierung und Klimatechnologien passt perfekt in die politische Agenda, die Söder der CSU auch in Bayern mit seinem milliardenschweren Hightech-Plan verordnet hat.

Die Kosten des Kompromisses dürften sich zwischen einer und 1,5 Milliarden Euro bewegen, ergänzt Söder noch. Die CSU hatte sich mit ihrem Berliner Landesgruppenchef Alexander Dobrindt vor allem gewehrt, dass Geld mit der „Konfetti-Kanone“ verteilt werde.

Für die CSU um Söder ist die Einigung anders als bei der CDU kein Problem - schon länger hatten sich die Christsozialen als Mittler bei der Grundrente positioniert. Genau diese Rolle des stabilisierenden Partners will Söder in der Koalition demonstrieren. Dabei geht es ihm nicht nur um die große Koalition - deren Freund auch er nicht ist. Sondern vielmehr auch um den langfristigen Imagegewinn, den er und die CSU bei den kommenden Wahlen bestens gebrauchen können.

Doch dass zwischen den drei GroKo-Parteichefs nicht nur Harmonie das Miteinander bestimmt, zeigt ein kleiner Schlagabtausch fast am Ende des gemeinsamen Auftritts. Launig meint Söder da, die Koalitionsrunde habe auch ein, zwei Päuschen nehmen müssen, um die eigenen Gedanken zu sortieren. Zwischendurch habe man Erdbeereis gegessen, „um die Stimmung etwas aufzuhellen“.

Da fährt „AKK“ dem bayerischen Ministerpräsidenten in die Parade. „Ich lege Wert auf die Feststellung, dass Markus Söder Erdbeereis gegessen hat“, ruft die Saarländerin in die Runde. Sie selbst sei da gerade am Verhandeln gewesen. Und Dreyer assistiert der CDU-Kollegin: „Ich auch nicht.“ Söder gibt zurück: „So ist das Leben, die einen haben es verdient...“ - und entschuldigt sich dann für den etwas schiefen Witz.

(dpa)