Guttenberg lässt die ganze Bundeswehr überprüfen
Berlin (dpa) - Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bemüht sich in der „Gorch Fock“-Affäre mit hartem Durchgreifen um Schadensbegrenzung. Nach der angeblichen Meuterei und Hinweisen auf Drangsalierungen auf dem Schulschiff enthob der CSU-Politiker den Kapitän Norbert Schatz des Kommandos.
Zudem ordnete er eine umfassende Untersuchung der gesamten Bundeswehr auf mögliches Fehlverhalten an. Die „Gorch Fock“ soll möglichst schnell von Argentinien nach Deutschland zurückkehren. Ihre Zukunft als Ausbildungsschiff der Marine ist ungewiss.
Am Mittwoch muss Guttenberg dem Verteidigungsausschuss des Bundestags Auskunft geben. Außer zu den Vorfällen auf der „Gorch Fock“ soll er dort auch zum versehentlichen Todesschuss auf einen Soldaten in Afghanistan und zum Öffnen von Feldpost aus diesem Einsatzgebiet Stellung nehmen.
Der Chef des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, sagte der „Augsburger Allgemeinen“ (Montag), es mache ihn „tief betroffen“, wenn die Soldaten „unter einen Generalverdacht gestellt“ würden. Er fühle sich „da schon ein bischen an die heilige Inquisition erinnert. Wir sollten uns vielmehr über den geistigen Überbau Gedanken machen.“ Bei der Umsetzung der Inneren Führung der Bundeswehr ist nach Kirschs Ansicht „einiges ins Bröckeln geraten“.
SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Guttenberg mangelhafte Informationspolitik vor. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte der Zeitung „Sonntag Aktuell“, das Verhalten des Ministers sei „auf den persönlichen Effekt“ ausgerichtet. Linke-Chef Klaus Ernst brachte einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Vorfälle ins Gespräch.
„Ich habe den Generalinspekteur beauftragt, eine Überprüfung in allen Teilstreitkräften vorzunehmen, inwieweit es in den letzten Jahren und auch jetzt noch Anhaltspunkte für Rituale gibt, die den Grundsätzen der Bundeswehr widersprechen“, sagte Guttenberg der „Bild am Sonntag“ (BamS). Diese Untersuchungen sollten „zeitnah aufzuzeigen, welche Konsequenzen sich daraus ergeben müssen“.
Die Absetzung des „Gorch Fock“-Kommandanten stieß bei der SPD auf Kritik. „Das lässt vermuten, da wird noch viel aufzuräumen sein“, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold warf dem Minister im Sender NDR Info vor, die Beteiligten hätten sich nicht ausreichend zu den Vorfällen äußern können. Bundeswehrverbandschef Kirsch hält die Absetzung von Kommandant Schatz dagegen für richtig. Er sagte MDR Info, wenn jemand so in der Kritik stehe, dann sei das Vertrauensverhältnis so belastet, dass es günstiger sei „ihn aus der Verantwortung zu nehmen“.
In der vergangenen Woche hatten Berichte über eine angebliche Meuterei auf der „Gorch Fock“ infolge des Unfalltodes einer jungen Offiziersanwärterin für Aufsehen gesorgt. Zudem sollen Mitglieder der Stammbesetzung Kadetten drangsaliert haben, auch zu sexuellen Übergriffen soll es gekommen sein. Die Mutter der 25-jährigen Kadettin, die im November aus der Takelage 27 Meter tief in den Tod gestürzt war, erstattete dem Magazin „Focus“ zufolge Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung.
Der legendäre Dreimaster, der derzeit vor Ushuaia auf Feuerland liegt, soll nun so schnell wie möglich in seinen Heimathafen Kiel zurückkehren. Bis zur Klärung des Falls werde das Schiff „an die Kette gelegt“, sagte Guttenberg am Samstag in Koblenz. Eine Kommission soll die Zukunft des Segelschulschiffs klären.
Mit Blick auf den Fall in Afghanistan, wo ein Soldat einen Kameraden versehentlich erschossen hatte, sagte Guttenberg, bei den nun angeordneten Untersuchungen müsse auch geklärt werden, „ob es in Einzelfällen einen Zusammenhang zwischen Einsatzbelastung und Verstößen gegen Grundsätze der Inneren Führung und Vorschriften gab, wie zum Beispiel den leichtfertigen Umgang mit Waffen“. Er widersprach Vorwürfen, sein Haus habe den Bundestag über die näheren Umstände des Todes des Soldaten am 17. Dezember bewusst unzureichend oder gar falsch informiert.
Nach „BamS“-Informationen reiste wenige Tage nach dem tragischen Unglücksfall eine Delegation von 15 Bundestagsabgeordneten aus Union, SPD, Grünen und FDP ins afghanische Masar-i-Scharif. Die Abgeordneten hätten mehrfach mit Soldaten sprechen können, die Detailkenntnisse von dem Todesschuss gehabt hätten. Dabei sei ihnen geschildert worden, dass der Soldat sich nicht selbst tödlich verletzt habe, sondern von einer Kugel aus der Waffe eines Kameraden versehentlich getötet worden sei. Die Familie des getöteten Soldaten hat dem Bericht zufolge darum gebeten, von einer Strafverfolgung des Todesschützen abzusehen. Schütze und Opfer seien seit langem eng befreundet gewesen, ihre Familien seien es heute noch.
In der Feldpost-Affäre ergaben nach dpa-Informationen erste Untersuchungen der Bundeswehr, dass rund ein Dutzend Briefe aus einem Vorposten der Bundeswehr-Kampftruppen in der afghanischen Provinz Baghlan unrechtmäßig geöffnet wurden. Weitere Briefe sollen rechtmäßig vom Zoll geöffnet, kontrolliert und dann entsprechend gekennzeichnet worden sein. Dabei soll ein USB-Stick einbehalten worden sein. Einen ersten Untersuchungsbericht zu der Feldpostaffäre will die Bundeswehr an diesem Montag vorlegen.