Guttenberg stürzt über Plagiatsaffäre

Berlin (dpa) - Absturz des Senkrechtstarters: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat nach zweiwöchigem Kampf um sein Amt kapituliert. Als Konsequenz aus der Plagiatsaffäre erklärte der beliebteste Politiker Deutschlands am Dienstag seinen Rücktritt von allen politischen Ämtern.

Vor den wichtigen Wahlen in diesem Jahr bringt er damit Union und Kanzlerin Angela Merkel schwer in Bedrängnis. Die Opposition hält Merkel für geschwächt, die CDU-Chefin hielt den Kritikern „Scheinheiligkeit und Verlogenheit“ vor.

Guttenberg will neben seinem Regierungs- und Parteiämtern auch das Bundestagsmandat niederlegen und damit komplett von der politischen Bühne abtreten. Er hatte 2009 mit 68,1 Prozent in seinem Wahlkreis Kulmbach das beste Erststimmenergebnis aller Bundestagskandidaten erzielt. Guttenbergs Nachfolge an der Spitze des Verteidigungsministeriums soll noch diese Woche geregelt werden. Als Kandidaten gelten Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und die CSU-Staatssekretäre Christian Schmidt und Hartmut Koschyk.

Guttenberg erklärte seinen Rücktritt auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. „Ich war immer bereit zu kämpfen. Aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht“, sagte der 39-Jährige . „Es ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens.“

Der CSU-Politiker begründete seinen Schritt unter anderem damit, dass er seiner Verantwortung angesichts der Entwicklung der Plagiatsaffäre nicht mehr nachkommen könne. Es habe eine „dramatische Verschiebung der Aufmerksamkeit zulasten der mir Anvertrauten“ stattgefunden, sagte er. „Wenn es auf dem Rücken der Soldaten nur noch um meine Person gehen soll, kann ich dies nicht mehr verantworten.“ Das Amt, die Bundeswehr, die Wissenschaft und auch die ihn tragenden Parteien drohten Schaden zu nehmen.

Merkel erfuhr erst kurz vor der Erklärung Guttenbergs von der Rücktrittsentscheidung. Die Kanzlerin attestierte ihrem Minister eine „herausragende politische Begabung“ und machte deutlich, dass sie weiter eine politische Zukunft für ihn sehe. Sie habe mit Sicherheit nicht das letzte persönliche Gespräch mit ihm geführt: „Und gerade deshalb bin ich auch überzeugt, dass wir, in welcher Form auch immer, in Zukunft Gelegenheit zur Zusammenarbeit haben werden.“

Auf einer Wahlkampfveranstaltung in Karlsruhe griff Merkel am Abend die Opposition scharf an. „Soviel Scheinheiligkeit und Verlogenheit war selten in Deutschland“, sagte sie. Der Opposition gehe es nicht um den Erhalt der wissenschaftlichen Werte, sondern vor allem um die Schwächung der Union. „Wir müssen uns von niemandem erklären lassen, was Anstand und Ehre in unserer Gesellschaft sind.“

CSU-Chef Seehofer bezeichnete den Rücktritt als schmerzlichen Schritt auch für seine Partei. „Ich bin - wie die ganze CSU - sehr betroffen und erschüttert.“ Mit Guttenberg trete ein herausragender Politiker, ein ausgezeichneter Verteidigungsminister und ein „überaus profilierter Kopf“ der CSU zurück.

Mehrere CSU-Politiker werden bereits als Nachfolger Guttenbergs als Verteidigungsminister gehandelt. Dazu zählen der Landesgruppenchef im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt, der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, und Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk. Sollte die CSU den Nachfolger nicht stellen, müsste sie ein anderes Ministeramt bekommen. Das Parteipräsidium will am Freitag zusammenkommen und über die Nachfolgefrage entscheiden.

Der Chef der Grünen-Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, sprach von einer „Riesenblamage“ für die Kanzlerin. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi erklärte, der Rücktritt sei „logische Konsequenz eines vorsätzlichen Fehlverhaltens bei der Erarbeitung und der Abgabe seiner Dissertation“. SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Merkel vor, bei der Behandlung der Krise versagt zu haben. Sie habe in der Bewertung die moralische Orientierung verloren.

Als Zugpferd im Wahlkampf steht Guttenberg der Union nicht mehr zur Verfügung. Er sagte alle 15 Termine in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ab. Am 20. März wird in Sachsen-Anhalt gewählt, eine Woche später in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

Guttenberg war im Jahr 2009 überraschend Nachfolger des amtsmüden Bundeswirtschaftsministers Michael Glos (CSU) geworden. Schnell stieg er in den Umfragen zu einem der beliebtesten Politiker Deutschlands auf. Das Amt des Verteidigungsministers übernahm Guttenberg nach der Bundestagswahl im Herbst 2009. Seinem Nachfolger hinterlässt er nun einige große Baustellen - die Bundeswehr befindet sich nach der Abschaffung der Wehrpflicht in der größten Reform in ihrer Geschichte. Noch vor wenigen Wochen war Guttenberg als möglicher künftiger Kanzler oder CSU-Vorsitzender im Gespräch.

Am Mittwoch hatte die Universität Bayreuth entschieden, Guttenberg den Doktortitel abzuerkennen. Der Minister hatte Fehler eingeräumt, aber Vorwürfe absichtlicher Täuschung und Zuhilfenahme eines Ghostwriters zurückgewiesen. Nach einer Analyse der Plagiatsjäger vom Guttenplag-Wiki ist mindestens die Hälfte der Dissertation von Guttenberg abgekupfert. Laut einer automatischen Auswertung seien 8000 der 16 300 Textzeilen Plagiate, erklärten die Betreiber des Internet-Projekts am Dienstag in einem Zwischenbericht.