Parteien Habeck zieht sich aus der ersten Reihe der Grünen zurück

Berlin · Grünen-Kanzlerkandidat Habeck war das Gesicht seiner Partei im Wahlkampf. Nun ist er das der Niederlage. Er zieht Konsequenzen. Anlass für Selbstkritik sieht er aber nicht.

Habeck zieht sich aus der ersten Reihe der Grünen zurück
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Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck strebt nach dem Stimmenverlust seiner Partei keine wichtige Funktion mehr an. „Ich werde keine führende Rolle in den Personaltableaus der Grünen mehr beanspruchen oder anstreben“, sagte er in Berlin. Seine Partei ist bei der Bundestagswahl auf 11,6 Prozent abgesackt, nach 14,7 Prozent bei der letzten Bundestagswahl.

Das Angebot der Grünen an die Wähler sei „top“ gewesen, sagte Habeck. Die Nachfrage aber nicht so, wie sich die Grünen das vorgestellt hätten. Er räumte ein: „Es ist kein gutes Ergebnis, ich wollte mehr, und wir wollten mehr.“ Ob er sein Bundestagsmandat zur Verfügung stellt, ließ der scheidende Bundeswirtschaftsminister offen. Sein Direktmandat in Flensburg-Schleswig hatte er am Sonntag nicht verteidigen können. Mit Listenplatz zwei in Schleswig-Holstein zieht er aber in den Bundestag ein.

Im Wahlkampf habe sich enorm viel „verschoben“, sagte Habeck. Es sei erschreckend, dass die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel im Wahlkampf über „Remigration“ habe sprechen können, so als sei dies ein ganz normaler Begriff. Das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz der Union „behandelt Menschen als Naturkatastrophen“. All dies seien gefährliche Tendenzen. Die Grünen wollten den neuen Bundeskanzler daran messen, dass die Brandmauer nach rechts nicht nur im Bundestag halte, „sondern dass sie auch in der Rhetorik hält“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock.

Grünen-Chefs wollen weitermachen

Habeck war das Gesicht der Grünen im Wahlkampf, die Kampagne war ganz auf ihn zugeschnitten. Die Grünen hätten in der schwierigen Ampel-Koalition viel weniger stark verloren als die beiden Partner von SPD und FDP, heißt es in der Partei. Dennoch: Habeck war mit dem klaren Ziel Kanzleramt angetreten. „Mein Vorsatz für 2025: Kanzler werden, Mensch bleiben“ stand auf einem seiner Wahlplakate. Nun hat er seine Partei nur auf Platz vier geführt. Den Grünen bleibt damit nur die Opposition. Die beiden Parteichefs Franziska Brantner und Felix Banaszak wollen weitermachen.

Auf die Journalistenfrage, ob die Grünen von Wählerinnen und Wählern womöglich für ihre zu große Kompromissbereitschaft in der Regierungskoalition abgestraft wurden, antwortete Habeck: „Die Ampel ist an Kompromiss-Unfähigkeit gescheitert.“

Wahlverlierer sieht keine größeren Fehler

Habeck sieht die Gründe für das schlechte Abschneiden der Grünen auch bei Unionsfraktionschef Friedrich Merz, wie er am Wahlabend deutlich gemacht hat. Bis Mitte vergangenen Monats seien die Grünen in den Umfragen auf einem guten Weg gewesen. Dann habe die Union im Bundestag mit der AfD gestimmt. „Und danach haben sehr viele Leute gesagt: "So nicht, nicht Friedrich Merz und nicht regieren mit der Union."“ Die Grünen hatten dies nicht ausgeschlossen, weil die Parteien der Mitte miteinander gesprächsfähig bleiben müssten.

Nach Habecks Ansicht hat das den Grünen geschadet. Nach seiner Lesart sind er und seine Partei auch wegen ihres großen Verantwortungsgefühls bei den Wählerinnen und Wählern gescheitert. Konkrete Fehler im eigenen Wahlkampf benannte Habeck auf Nachfrage nicht. Es habe höchstens kleinere Fehler und „Schleifspuren“ gegeben.

Baerbock und Habeck rufen zu Reform der Schuldenbremse auf

Baerbock rief dazu auf, in den nächsten Wochen eine Reform der Schuldenbremse zu beschließen. Das sei überfällig, damit die Pläne des russischen Aggressors in der Ukraine nicht aufgehen.

Angesichts der Annäherung der US-Regierung von Donald Trump an Russland steht die Frage im Raum, wie Deutschland steigende Rüstungsausgaben bewältigen kann. Im neuen Bundestag werden AfD und Linke genug Sitze haben, um die Einrichtung eines weiteren Sondervermögens oder eine Lockerung der Schuldenbremse zu verhindern.

Habeck und Baerbock appellierten an die anderen Fraktionen, entsprechende Beschlüsse noch mit den bestehenden Mehrheiten des alten Bundestags zu treffen. Habeck plädierte auch für Investitionen im großen Stil zur Ankurbelung der Wirtschaft. „Das liegt alles an Friedrich Merz“, der die Möglichkeiten nutzen müsse, sagte Habeck.

Für eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Die Grünen und die SPD sprechen sich für eine Reform aus. Schwarz-rote Regierungen stünden in Deutschland allerdings nicht für Innovationskraft und Problemlösung, merkte Habeck an. „Das ist die Regierung, vor der wir immer gewarnt haben.“

© dpa-infocom, dpa:250224-930-385251/3

(dpa)