Kommentar Was hinter Wüsts Verzicht auf die Kanzlerkandidatur steckt

Meinung | Düsseldorf/Berlin · Am Ende musste man auf jede Formulierung achten. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hat einen Spagat geschafft – und Friedrich Merz alle Trümpfe in der Hand. Ein Kommentar.

NRW: Was hinter Wüsts Verzicht auf die Kanzlerkandidatur steckt
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Am Ende musste man auf jede Formulierung achten. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst hat Montagabend in der Landesgeschäftsstelle der NRW-CDU in Düsseldorf den Spagat geschafft, abzuspringen vom Kandidatenkarussell um eine mögliche Kanzlerschaft ab Herbst 2025, ohne sich dabei zu selbstlos selbst zu verzwergen. Damit ist abseits der Karrieresprünge des 49 Jahre alten Westfalen klar, dass der Sauerländer Friedrich Merz schon vor der Landtagswahl in Brandenburg am Wochenende alle unionsinternen Trümpfe in der Hand hält, wenn es um ein kommendes Kanzlerrennen geht. Merz hat jetzt die Unterstützung des größten CDU-Landesverbandes, er hat die persönliche Unterstützung von Wüst als derzeit beliebtesten CDU-Politiker. Und er geht mit einer Bundes-CDU in die nächsten Monate, die durch harte interne Arbeit komplett auf ihn und seinen Machtanspruch ausgerichtet ist. Die freie Radikale – das wurde deutlich – bleibt der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Gleichwohl ist dessen Krawall-Potenzial absehbar, zumal Wüsts Abkehr ganz sicher auch ein Signal nach Bayern gab: Gegen die CDU-Übermacht mit einer geschlossenen Partei hinter Merz wird auch Söder nichts mehr ausrichten. Das dürfte schon bald auch öffentlich spürbar werden.

Für Hendrik Wüst gilt: Er hat aus einem Rennen das Beste herausgeholt, in dem nicht mehr für ihn zu gewinnen war. Wüst hatte seine Ambitionen lange offen gelassen und auch jetzt nicht darauf verzichtet darzustellen, all die Rufe gehört und gewogen zu haben, die ihn zur Kandidatur drängen wollten. Seine Erzählung: Verzichtet habe ich für die Geschlossenheit der Union. Und für die Aufgabe in Nordrhein-Westfalen. Damit hat er dreierlei abgewendet: eine Selbstverzwergung, wie sie einst der SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft vorgeworfen wurde, die nie nach Berlin wollte. Zweitens: ein früh möglicher Karriereknick, wie ihn Vorgänger Armin Laschet mit seiner gescheiterten Kanzlerkandidatur erlebt hat. Und drittens die Gefahr, in der künftigen Merz-CDU eher als Konkurrent denn als Zukunft zu gelten.