Interview mit Bitkom-Geschäftsführer: „Keine hundertprozentige Sicherheit in der digitalen Welt“
Bernhard Rohleder, Geschäftsführer des Hightech-Verbandes Bitkom, über Spähangriffe und Technik „Made in Germany“.
Berlin. Der Hauptgeschäftsführer des Hochtechnologie-Verbandes Bitkom, Bernhard Rohleder, sieht im möglichen Spähangriff des US-Geheimdienstes NSA auf das Handy von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einen Ansporn für die deutsche IT-Industrie, Kommunikationsmittel sicherer zu machen.
Herr Rohleder, lässt sich jedes Handy so knacken wie das der Kanzlerin?
Bernhard Rohleder: Hundertprozentige Sicherheit gibt es in der digitalen Welt genauso wenig wie in der analogen Welt. Aber der Aufwand, ein Kryptohandy zu knacken, ist immens. Einen solchen Aufwand kann man nur ganz gezielt bei Persönlichkeiten mit herausragender Bedeutung betreiben.
Dass man 80 Millionen Bundesbürger allesamt abhört, ist demnach absurd?
Rohleder: Richtig. Selbst die NSA ist nicht in der Lage, die gesamte deutsche Kommunikation zu überwachen, zu entschlüsseln und auszuwerten. Anders verhält es sich bei Metadaten, wo also lediglich erfasst wird, wer wann mit wem kommuniziert hat. Eine lückenlose Überwachung der Metadaten wäre technisch grundsätzlich machbar, und der Aufwand hält sich in Grenzen.
Wenn selbst Angela Merkel nicht sicher telefonieren kann, dann müsste das für die Wirtschaft doch erst recht gelten, oder?
Rohleder: Die deutsche Wirtschaft ist schon seit Jahrzehnten durch Cyber-Kriminalität bedroht. Nach Schätzungen des Verfassungsschutzes entstehen uns dadurch wirtschaftliche Schäden von etwa 40 bis 60 Milliarden Euro pro Jahr.
Bereits im Sommer hatte die Kanzlerin einen Acht-Punkte-Katalog vorgestellt. Darin wurde auch eine europäische IT-Strategie gefordert, um sich von US-Technologie unabhängig zu machen. Was ist daraus geworden?
Rohleder: Dazu wurde ein Runder Tisch im Bundesinnenministerium und im Bundeswirtschaftsministerium durchgeführt. Dabei herrschte Einigkeit, dass der oft zitierte Airbus als Vorbild für eine Art konzertierte industriepolitische Aktivität der Europäer im IT-Sektor nichts taugt.
Also müssen wir auch weiter mit Skandalen wie jetzt bei Merkels Handy rechnen?
Rohleder: Nicht unbedingt. Wir müssen in der Lage sein, und das ist auch Konsens mit der Bundesregierung, importierte IT-Systeme durchzuprüfen bis auf das letzte Bit und Byte. Und wir müssen importierte Technologien härten und sicher machen können. Deutschland ist da übrigens international sehr erfolgreich, auch weil es in den USA ein Exportverbot für viele Sicherheits- und Verschlüsselungstechnologien gibt. Das eröffnet Räume für deutsche Anbieter.