Herr Spahn, was können Sie besser als Friedrich Merz?
CSU-Vorsitz Jens Spahn: „Mir geht es um einen Neustart“
Berlin · Jens Spahn, Gesundheitsminister und Kandidat auf den CDU-Vorsitz, will seine Partei mit Diskussionsfreude zu neuer Stärke führen. Ein Gespräch.
Jens Spahn will neuer CDU-Chef werden. Er tritt auf dem Parteitag Anfang Dezember gegen Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und den Polit-Rückkehrer Friedrich Merz an. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt der 38-Jährige, wie er die CDU verändern möchte.
Jens Spahn: Es geht mir darum, ob Deutschland auch dann noch so erfolgreich, offen und liberal ist, wenn ich 60 bin. Das sicherzustellen, ist die Aufgabe meiner Generation. Und diesen Blick bringe ich mit.
Verdienen Sie so viel wie Merz, sind Sie auch gehobene Mittelschicht?
Spahn: Ich verdiene klar über dem Durchschnitt. Die Höhe ist für einen Bundesminister gesetzlich geregelt. Ich freue mich über jeden, der wirtschaftlich erfolgreich ist – ich würde mir 82 Millionen Millionäre in Deutschland wünschen.
Was können Sie besser als Annegret Kramp-Karrenbauer?
Spahn: Jeder von uns dreien bringt ein unterschiedliches Profil und Angebot mit. Ich finde es wichtig, dass wir Themen dann besprechen, wenn sie aktuell sind. Und zwar so, dass alle Argumente gehört werden, bevor es zu einer Entscheidung kommt. Dafür stehe ich.
Steht Kramp-Karrenbauer nur für ein „Weiter so“?
Spahn: Es ist nicht meine Aufgabe, andere zu beurteilen, sondern der Partei zu sagen, was ich will. Mir geht es um einen Neustart, um Aufbruch und Erneuerung in der CDU. Ich stehe für eine Art Politik zu machen, die offen für Diskussionen ist, Meinungsvielfalt als Chance sieht und die Mitglieder, Bürgerinnen und Bürger eng einbindet.
Neustart klingt immer gut. Trotzdem gelten Sie als Außenseiter. Warum?
Spahn: Mein Eindruck von den Regionalkonferenzen ist: Das Rennen ist offen. Ich möchte das Team führen, ich traue es mir zu. Gemeinsam können wir die CDU wieder zu alter Stärke führen.
Welche Ideen haben Sie denn?
Spahn: Viele Mitglieder haben die letzten Jahre als bleiern empfunden, weil wichtige Fragen nicht richtig ausdiskutiert wurden. Das ist aber wichtig in einer Partei, die den Anspruch hat, das Land zu führen. Nehmen Sie als Beispiel den UN-Migrationspakt. Der Vorschlag, offen zu diskutieren, wird noch zu oft reflexhaft abgelehnt.
Ihnen wird in dieser Frage vorgeworfen, sich nicht festzulegen und neue Ängste zu schüren.
Spahn: Umgekehrt wird ein Schuh draus. Ohne Debatte geben wir denjenigen Raum, die Ängste wollen. Verschweigen hat in der Vergangenheit nicht dazu geführt, dass wir mehr Zustimmung bekommen haben. Beispiele dafür gibt es zuhauf: Die Energiewende, die Migrationspolitik, TTIP. Natürlich muss die Partei darüber sprechen, wir können nur andere überzeugen, wenn wir selbst alle Argumente abgewogen haben.
Halten Sie die Flüchtlingsfrage für die Mutter aller politischen Probleme?
Spahn: Nein. Aber viele Bürger haben das Gefühl, dass unser Gemeinwesen nicht so funktioniert, wie es sein sollte. Darf man mit dem Diesel noch in die Stadt, wie ist es mit bezahlbarem Wohnraum, können Eltern ihre Töchter mit dem Fahrrad im Dunkeln noch fahren lassen? Und dazu gehört eben auch die Frage, ob der Staat die Kontrolle über die Migration besitzt.
Und, besitzt er sie?
Spahn: Leider war in der Vergangenheit das Thema immer stark personell aufgeladen. Das hat eine ehrliche Debatte erschwert. Heute ist das anders: Annegret Kramp-Karrenbauer sagt nun richtigerweise auch, dass kriminelle Asylbewerber kein Recht haben, in Deutschland und der EU zu sein. Ich muss jedenfalls nichts zurücknehmen oder korrigieren, was ich bisher in der Migrationsdebatte gesagt habe. Wenn wir nicht über die Probleme reden, um sie zu lösen, ist das Wasser auf die Mühlen der Vereinfacher von links und rechts.
Würden Sie es als CDU-Vorsitzender zulassen, wenn ein Landesverband mit der AfD zusammenarbeiten will?
Spahn: Wir müssen wieder so stark werden, dass sich diese Frage nicht stellt. Gerade nächstes Jahr bei den Landtagswahlen im Osten. Als CDU-Vorsitzender würde ich zuallererst in die AfD-Hochburgen gehen, um möglichst viele Bürger für die CDU zurückzugewinnen.
Wie stehen Sie zu Überlegungen in ihrer Partei, ein verpflichtendes Sozialjahr einzuführen?
Spahn: Ich bin sehr offen für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr. Denn die Staatbürgerschaft ist nicht nur mit Rechten, sondern auch mit Pflichten verbunden. Aber auch darüber möchte ich gerne in der Partei breit diskutieren, es gibt ja auch einige gewichtige Gegenargumente.
Was folgt nach dem CDU-Vorsitz – die Kanzlerschaft?
Spahn: Erstens braucht die Partei jetzt die volle Aufmerksamkeit. Zweitens stellt sich die Frage einer Kanzlerkandidatur nicht unmittelbar. Drittens haben wir gerade den klugen Schritt getan, beides zu trennen. Ich bin jung genug, um in Ruhe und vertrauensvoll mit Angela Merkel als Kanzlerin zusammenzuarbeiten.