Joachim Gaucks heikler Staatsbesuch in Athen
Das Verhältnis zwischen beiden Ländern ist wegen der Eurokrise nachhaltig getrübt.
Athen. Es war im Oktober 2012, als in Athen Zehntausende auf die Straße gingen, um ihrer Wut Luft zu machen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war nach Griechenland gereist, die Eurokrise hatte ihren Zenit noch nicht überschritten, und das deutsch-griechische Verhältnis war auf seinem Tiefpunkt. Eineinhalb Jahre später kommt Bundespräsident Joachim Gauck Mittwoch zu einem Staatsbesuch. Auf Gauck wartet eine schwierige Reise, vielleicht die schwierigste seiner bald zweijährigen Amtszeit.
Gauck ist nicht die Kanzlerin und auch nicht der Finanzminister, deshalb werden Griechenlands Schuldenstand und die Notwendigkeit eines neuen Milliarden-Kredits nicht im Mittelpunkt der Gespräche stehen. Stattdessen setzt der Bundespräsident einen anderen Schwerpunkt: Er besucht zusammen mit dem griechischen Präsidenten Karolos Papoulias einen Ort deutscher Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs. In Lingiades massakrierten Soldaten der Wehrmacht am 3. Oktober 1943 in einer Vergeltungsaktion bis zu 92 Menschen, unter ihnen 34 Kinder. Die genauen Zahlen der erwachsenen Opfer sind unklar.
Gauck stellt sich der historischen Verantwortung Deutschlands. Allerdings ist in Griechenland selbst die Erinnerung an die Vergangenheit ein heikleres Thema als anderswo. Denn die Griechen wollen nicht nur Worte, sie wollen Geld. Reparationsforderungen an Deutschland werden auf bis zu 162 Milliarden Euro beziffert — und natürlich gibt es einen Zusammenhang zu den Krediten in der Eurokrise und den Auflagen. Die große Wut der Griechen gegen Deutschland ist inzwischen weniger zu spüren. Dennoch ist das Verhältnis weiter gestört. Deutschland sei Schuld an Rezession und Arbeitslosigkeit, heißt es. Mit Bitterkeit sieht sich die Nation als „Pleitegriechen“ verhöhnt.
Vieles wird vom persönlichen Verhältnis zwischen Gauck und Griechenlands Präsidenten abhängen. Vor gut einem Jahr haben sie sich bereits in Berlin getroffen. Der 84-jährige Sozialist ist eng mit Deutschland verbunden. Er hat in Köln studiert und für die Deutsche Welle gearbeitet.