Nach Festnahmen in Berlin Kein dringender Tatverdacht: Mutmaßliche Islamisten frei
Berlin (dpa) - Nach der Festnahme von sechs mutmaßlichen Islamisten parallel zum Berliner Halbmarathon sind die Verdächtigen wieder auf freiem Fuß. Die Männer im Alter von 18 bis 21 Jahren wurden aus dem Polizeigewahrsam entlassen, wie ein Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft sagte.
Es gebe keinen dringenden Tatverdacht gegen sie. Haftbefehle seien auch nicht beantragt worden. Gegen die Männer werde aber nach wie vor ermittelt. Beschlagnahmte Beweismittel - darunter Handys und Computer - sollen weiter ausgewertet werden.
Zwei Männer werden nach Angaben des Sprechers dem islamistischen Umfeld des Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri zugerechnet. Anfangs hieß es in Ermittlerkreisen, es sei mindestens ein sogenannter Gefährder unter den am Sonntag Festgenommenen. Damit wird eine Person bezeichnet, der die Behörden einen Terroranschlag zutrauen. Zur Nationalität der sechs Freigelassenen äußerten sich die Behörden nicht.
Der Tunesier Amri hatte im Dezember 2016 einen Laster entführt und in den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gesteuert. Bei dem bislang schwersten islamistischen Anschlag in Deutschland starben zwölf Menschen und annähernd 100 wurden verletzt. Amri wurde wenige Tage später auf der Flucht in Italien von Polizisten erschossen.
Nach Angaben von Ermittlern gab es bei den Festgenommenen zunächst den Anfangsverdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. „Oberstes Gebot war: Kein Risiko durch Warten“, sagte Staatsanwaltschaft-Sprecher Martin Steltner der Deutschen Presse-Agentur.
Zu dem Einsatz hatte die Sicherheitskräfte auch die Amokfahrt am Samstag in Münster mit zwei Todesopfern bewogen. Später stellte sich heraus, dass der dortige Täter psychische Probleme und die Tat keinen politischen Hintergrund hatte. Er hatte sich erschossen.
Ein konkreter Terroranschlag auf den Halbmarathon war den Erkenntnissen zufolge nicht geplant. Die Männer seien aber durch verdächtige Verhaltensweisen im Vorfeld aufgefallen, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Das sportliche Großereignis mit Zehntausenden Läufern und Zuschauern war laut Ermittlern nicht gefährdet.
Bei Durchsuchungen mehrerer Wohnungen in Charlottenburg, Wilmersdorf und Neukölln wurden am Sonntag weder Waffen noch Sprengstoff entdeckt. Auch zwei Autos wurden laut den Ermittlern überprüft. Die mit Hochdruck geführte Auswertung von Datenträgern, Spuren und Anhaftungen habe nicht zu einem dringenden Tatverdacht geführt, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte in München: „Wir haben eine sehr angespannte Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor.“ Mit einem Anschlag müsse jederzeit gerechnet werden. Vor diesem Hintergrund sei es richtig, wenn die Sicherheitsbehörden aufmerksam seien und auch Konsequenzen zögen.
Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) bekräftigte: „Die Entscheidung von gestern war absolut richtig. Im Zweifel geht es um die Sicherheit der Bürger dieser Stadt und ihrer Gäste.“ Auch Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) dankte den Einsatzkräften.