Konsequenzen nach Chemnitz Keine Vorbeugehaft für Gefährder

SPD lehnt Unionsvorschlag strikt ab - De Maizière will Gründe für Abschiebehaft ausweiten.

Spezialkräfte im Anti-Terror-Einsatz.

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Chemnitz/Berlin. Die Debatte um den Umgang mit den terroristischen Gefährdern in Deutschland ist nach der Festnahme der Chemnitzer Zelle voll entbrannt. Ein Vorschlag aus der Union, solche Leute vorsorglich in Haft zu nehmen, stößt jedoch auf erhebliche Bedenken.

Rund 500 Personen gelten derzeit nach der polizeilichen Definition als potenzielle Terroristen und werden überwacht. Sie sind radikalisiert und haben Kontakte zur harten Islamistenszene oder sogar direkt zum IS. Um sie rund um die Uhr im Auge zu behalten, wären für jeden 25 bis 30 Beamte nötig - was die Polizei nicht leisten kann. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), forderte deshalb nach der Festnahme der Chemnitzer Terrorverdächtigen die Schaffung eines neuen Straftatbestandes namens "Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung". Er würde es laut Mayer erlauben, "solche Leute präventiv in Haft zu nehmen", denn eine Überwachung aller Terrorverdächtigen sei "schlichtweg nicht machbar". Allerdings hat der Vorschlag einen großen Haken: Die Freiheitsrechte von Menschen dürfen nach dem Grundgesetz nur aus triftigem Grund eingeschränkt werden; ein bloßer Verdacht reicht da als Haftgrund nicht. Das betonte am Montag auch das Innenministerium. Außerdem steht der Vergleich mit der "Schutzhaft" der Nazis im Raum.

Die SPD lehnte Mayers Idee sofort ab. "Gefährder rein präventiv in Haft zu nehmen, ist rechtstaatlich problematisch", sagte SPD-Fraktionsvize Eva Högl auf Anfrage. Auch reichten die bisherigen Haftgründe aus. Högl räumte ein, dass es Schwierigkeiten bei der Überwachung gebe. Mit mehr Personal und akustischer Überwachung könne man das Risiko aber minimieren. Auch müsse das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei konkreten Anhaltspunkten sofort Polizei und Verfassungsschutz einschalten. Ihr Fraktionskollege Burkhard Lischka sagte, eine gute technische und personelle Ausstattung der Sicherheitsbehörden sei "das A und O einer erfolgreichen Terrorismusbekämpfung". Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic sagte unserer Redaktion, Präventivhaft sei ein "Kennzeichen autoritärer und diktatorischer Staaten"; ihre Partei stelle sich dem klar entgegen.

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte zwar im August ebenfalls die Schaffung eines neuen Haftgrundes "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit" vorgeschlagen. Jedoch war das nur auf Personen gemünzt, deren Aufenthalt in Deutschland zum Beispiel wegen eines abgelehnten Asylantrages ohnehin beendet werden soll.

Nach den Vorstellungen des Innenministers sollen Abzuschiebende dann, wenn sie wegen einer Straftat rechtskräftig verurteilt oder als Gefährder aufgefallen sind, künftig leichter in Abschiebehaft genommen werden, damit sie nicht abtauchen. Erst letzte Woche leitete der Minister einen entsprechenden Entwurf in die regierungsinterne Ressortabstimmung - also vor den aktuellen Zwischenfällen.

Die CSU forderte nach dem Vorfall von Chemnitz Konsequenzen für die Registrierung von Flüchtlingen in Deutschland. Das Bundesamt müsse bei der Anerkennung viel stärker die Sicherheitsrelevanz beachten, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Es dürfe keine pauschale Anerkennung mehr geben. Nötig sei eine "Totalrevision" der Registrierung. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte strengere Grenzkontrollen. "Wir müssen mit sorgfältigen Überprüfungen dafür sorgen, dass Hürden für die Leute, die nicht als verfolgte Flüchtlinge, sondern eigentlich mit schlimmen Absichten in unser Land kommen, so hoch wie möglich werden", sagte er.