Kennzeichnung: Allergie-Pass fürs Schnitzel
Die Aufklärung über die häufigsten Allergene bereitet Anbietern wie Gastronomen Metzgern oder Bäckern Probleme.
Düsseldorf. Vier Köche arbeiten in der Küche des Restaurants Hirschchen in Düsseldorfer Stadtteil Pempelfort. Jede Woche wird eine neue Karte mit Tagesgerichten aufgelegt — es soll Abwechslung auf den Teller. Wenn man dem Gaststättenverband Dehoga glaubt, ist dieser gastronomische Anspruch in Gefahr, wenn am 13. Dezember die neue Lebensmittel-Verordnung greift. Wenn Gastronomen jeder ihrer Speisen einen Allergie-Pass ausstellen müssen, „bleiben kulinarische Kreativität und Innovation auf der Strecke“, kritisiert die Dehoga.
Hirschchen-Geschäftsführer Denis Nocken findet die Kritik nachvollziehbar. „Ich bin der Überzeugung, dass alles komplizierter wird“, sagt er. So müssten Abläufe in der Küche standardisiert werden, die jetzt Ermessenssache des einzelnen Kochs sind. Einen Schuss Sahne in die Soße — schon muss Laktose ausgewiesen werden. Die Soße soll mit Mehl statt mit Soßenbinder abgebunden werden — dann wird ein Hinweis auf Gluten fällig. Bei einer wöchentlich wechselnden Zusatzkarte bedeutet das erheblichen Mehraufwand.
Nocken ist kein Gegner von Verbraucherschutz. „Ich bin für Transparenz, und ich merke auch, dass sich Gäste vermehrt für die Zusammensetzung unserer Speisen interessieren, aber ich sehe die Gefahr, dass sich das Verhältnis vom Gast zum Gastronomen verkompliziert“, sagt er.
Ähnlich sieht es Vollwert-Bäcker Johannes Dackweiler von Hercules Brot in Düsseldorf. Den Allergiehinweis derart in den Vordergrund zu stellen, könne dazu führen, dass aus einer Abneigung auf die Schnelle eine Unverträglichkeit „kreiert“ werde, um seine Vorlieben durchzusetzen. Dennoch sieht auch er gute Seiten an der Gesetzesverschärfung: „Für Kunden wird es offensichtlicher, wer welche Hilfsmittel einsetzt.“ Wenn ein Bäcker überwiegend mit Backmischungen arbeitet, dann könnten Anzahl und Zusammensetzung der Allergene darauf hindeuten.
Dackweiler hat schon jetzt Infobroschüren mit den Zutatenlisten all seiner Backwaren. Über die Allergene wird er zunächst in Form einer Tabelle informieren, die er in seinem Geschäft auslegt. Langfristig sei es zudem möglich, dem Kunden auf Wunsch einen Zettel mit Zutatenliste und Allergie-Hinweis zu jedem einzelnen Brot, Brötchen oder Teilchen auszudrucken.
Soja, Sellerie, Laktose, Gluten — das alles sind allergene Inhalts-stoffe, auf die ab Dezember schriftlich hingewiesen werden muss. All diese Stoffe verstecken sich besonders oft in Fertigprodukten wie Marinaden und Gewürzmischungen. „In den Betrieben müssen jetzt grundlegende Bestandsaufnahmen gemacht werden“, sagt Lebensmittelkennzeichnungs-Expertin Sonja Beste. Sie ist Partnerin der Beratungsfirma Beste aus Leverkusen, die Unternehmen dabei hilft, die Regelung umzusetzen.
Was genau steckt in der Marinade, die der Metzger einkauft? Was steckt genau in der Curry-Mischung für das Putengeschnetzelte? Das neue Gesetz zwingt Anbieter von unverpackten Lebensmitteln dazu, die Zutatenliste aller verwendeten Fertigprodukte unter ganz neuen Gesichtspunkten zu kontrollieren. Großküchen wie etwa Kindergarten-Caterer, Mensen und Kantinen seien da schon relativ weit. „Doch viele Gastwirte stehen noch jetzt vor der Frage, wie viel Arbeit sich da ab Dezember vor ihnen auftürmt“, sagt Sonja Beste.
Das Gesetz wird aller Voraussicht nach ohne Übergangsfrist in Kraft treten. Die Allergie-Hinweise werden somit ab 13. Dezember Teil der üblichen Lebensmittelkontrollen durch das Ordnungsamts ein. Wer die neuen Richtlinien nicht voll erfüllt, dem droht ein Bußgeldverfahren, in Härtefällen sogar ein Strafverfahren.