„Klar, dass es Fahrverbote für Diesel geben wird“
Nachteile für Dieselfahrer sind nur eine Frage der Zeit. Anwalt Gerhart Baum fordert von Berlin die Einführung der Muster-Sammelklage.
Düsseldorf. Für den Düsseldorfer Rechtsanwalt Gerhart Baum, ehemals Bundesinnenminister und bis heute Vertreter des linksliberalen Flügels der FDP, gibt es keinen Zweifel, was das Leipziger Urteil bedeutet: „Damit ist klar, dass es Fahrverbote geben wird“, so Baum, der Partner der Kanzlei Baum Reiter + Collegen ist. „Zahlreichen Diesel-Fahrern drohen nun empfindliche Einschränkungen bei der Nutzung ihrer Fahrzeuge. Die Bundesregierung muss endlich entschlossen handeln und darf nicht länger ihre schützende Hand über die Autohersteller halten.“
Kanzlei-Gründer Julius Reiter sieht die Autoindustrie in der Pflicht. „Wir fordern, dass die Hersteller — allen voran VW — so schnell wie möglich eine effektive Hardware-Nachrüstung organisieren und die Kosten dafür übernehmen“, sagt Reiter. Gerade vor dem Hintergrund glänzender Verkaufszahlen und Milliardengewinnen sei es nicht hinnehmbar, dass sie sich weigern — „und offenbar darauf setzen, dass der Steuerzahler an den Kosten der Nachrüstung beteiligt wird“.
Bisher hat sich die Autoindustrie geweigert, die Kosten für Hardware-Nachrüstungen zu übernehmen. Rechtlich ist es wenig wahrscheinlich, dass die Autobauer dazu gezwungen werden können, da die Fahrzeuge eine gültige Typzulassung haben.
Nach Untersuchungen des ADAC ist es möglich, den Schadstoffausstoß von Diesel-Pkw damit bis zu 90 Prozent zu mindern. Möglich sei dies bei fast allen Fahrzeugen mit Euro 4 und Euro 5. Zusammen sind das in Deutschland 9,3 Millionen Autos. Die Kosten der Nachrüstung beziffert der ADAC auf 1400 bis 3300 Euro pro Auto. Bei durchschnittlichen Kosten von 2000 Euro pro Fahrzeug beträgt der finanzielle Aufwand insgesamt 18,6 Milliarden Euro.
Schadenersatzansprüche wegen der Manipulation an Dieselautos verjähren in der Regel Ende dieses Jahres. Angesichts dieser kurzen Zeitspanne fordern Baum und Reiter die neue Bundesregierung auf, die im Groko-Vertrag vereinbarte Mustersammelklage „unverzüglich umzusetzen“.
Mustersammelklagen fordern vor allem Verbraucherschützer schon seit Jahren. Es geht um Fälle, in denen es für Kunden in Einzelklagen kaum durchsetzbar ist, ihr Geld zurückzubekommen, wenn sie durch den Rechtsverstoß eines Unternehmens geschädigt wurden — zum Beispiel, wenn es um eine unzulässige Motor-Software geht. Darum, so die Forderung, müsse es möglich sein, dass alle zentralen Rechtsfragen des Streitfalls in einem einzigen Verfahren geklärt werden — eben per Mustersammelklage.
Bereits 2016 wollte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) solche Klagen ermöglichen, scheiterte aber am Widerstand aus der CSU.