Koalition verschiebt Steuerreformen

Berlin (dpa) - Die Städte und Gemeinden in Deutschland können weiter auf ihre wichtigste Einnahmequelle setzen: Die Abschaffung der Gewerbesteuer ist vom Tisch. Die gesamte Reform der Gemeindefinanzen verschob die schwarz-gelbe Koalition bei ihrem Spitzentreffen in der Nacht zum Freitag auf 2011.

Eine Mehrbelastung der Bürger soll es nicht geben. Steuerentlastungen stehen für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zwar weiter auf der Tagesordnung, einen Zeitplan nannte sie aber nicht.

Bei der Reform der Mehrwertsteuer knirscht es noch. Eine Kommission soll Änderungen der unterschiedlichen Steuersätze prüfen. Für die Vereinfachung der Lohn- und Einkommensteuer will die Koalition beim nächsten Spitzentreffen am 9. Dezember Nägel mit Köpfen machen.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kritisierte: „Aus dem Herbst der Entscheidungen ist eine Woche der Vertagung geworden.“ Linkspartei und Grünen-Fraktion warfen der Koalition Stillstand vor.

Bei den Gemeindefinanzen gibt es nach Ansicht von Merkel noch viel zu tun. „Klar ist auch, dass es gegen den erklärten Willen der Kommunen auf diesem Gebiet keine Lösung geben wird“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) solle prüfen, ob die Ausweitung der Gewerbesteuer auf Pachten, Zinsen und Mieten wieder rückgängig gemacht wird. Außerdem werde untersucht, ob Städte und Gemeinden einen Ausgleich bekommen.

FDP-Chef Guido Westerwelle sieht noch Chancen für die Abschaffung der Gewerbesteuer. Seine Partei habe dazu weiter „gewissen Gesprächsbedarf“. CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich sagte im ZDF: „Abschaffen, das wird wohl nicht gehen.“ Möglich sei aber, Mieten, Zinsen oder Pachten herauszunehmen. Der Vizepräsident des Deutschen Städtetages, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), sprach mit Blick auf die jetzige Beibehaltung von einem guten Signal.

Die Koalitionsspitzen halten generell an ihrem Ziel fest, kleine und mittlere Einkommen steuerlich zu entlasten. Merkel ließ aber einen Zeitplan offen: „Zur Haushaltskonsolidierung haben wir noch viele Jahre lang zu tun.“

Kritisch sahen die Teilnehmer der Koalitionsrunde den Vorschlag, den Gemeinden einen zusätzlichen Prozentpunkt der Mehrwertsteuer zu geben. Als möglich gilt, dass der Bund etwa bei der Grundsicherung und Zahlungen für die Unterkunft von Hartz-IV-Empfängern die Kommunen stärker unterstützt.

Für Lebensmittel, Bücher und Zeitungen sollen die Verbraucher auch künftig nicht den normalen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent, sondern weiter nur 7 Prozent zahlen. Eine Kommission aus Schäuble, Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) sowie den Generalsekretären von CDU, CSU und FDP sollen Änderungen bei den Mehrwertsteuersätzen ausloten.

Die CSU warnt, die ermäßigte Hotelsteuer infrage zu stellen, bei der es um etwa eine Milliarde Euro geht. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hält es dagegen für sinnvoll, die Ermäßigung rückgängig zu machen. Auch die FDP ist offen dafür.

Die Steuervereinfachungen haben die Koalitionäre auf den 9. Dezember verschoben. Die Fraktionen von Union und FDP halten die 18 Vorschläge von Schäuble nicht für ausreichend. Schäuble werde weitere Maßnahmen prüfen, sagte Seibert. Beim Entlastungsvolumen von 500 Millionen Euro soll es bleiben.

Streit gibt es bei leichteren Zuwanderungsregeln, um ausländische Fachkräfte ins Land zu holen. Die Koalition konnte sich nicht auf niedrigere Einkommensgrenzen für eine Aufenthaltserlaubnis einigen. Die CSU hat ihr Veto eingelegt, die Grenze von derzeit 66 000 Euro zu senken.

Keine Einigung gab es in der Koalitionsspitze auch bei dem Thema Tarifeinheit. Um eine Zersplitterung der Tariflandschaft zu verhindern, verlangen Arbeitgeber und DGB-Gewerkschaften, dass in Unternehmen nur die Tarifverträge der größten Gewerkschaft gelten sollen. Brüderle und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sollen dazu bis Dezember Vorschläge erarbeiten.

Die Koalition vereinbarte auch, dass die Regierung die Arbeitnehmer-Datenbank „Elena“ aussetzt - nur knapp ein Jahr nach dem Start. Der Hauptgrund: zu hohe Kosten. Von der elektronischen Erfassung von Bescheinigungen hätten fünf Millionen Empfänger von Arbeitslosen-, Eltern- oder Wohngeld ab 2012 profitieren können.